Rienzi in der Mehrzweckhalle.

Wagner, draußen vor der Tür

Richard Wagner: Rienzi

Theater:Oberfrankenhalle, Premiere:07.07.2013Regie:Matthias von StegemannMusikalische Leitung:Christian Thielemann

Das Hochsommer-Wetter jedenfalls passt zu Bayreuth. Jede angenehme Sommerkühle scheint im Oberfränkischen von selbst zu weichen, wenn Richard Wagner auf dem Programm steht. Diesmal, im dauerjubelnden Jahr des zweihundertsten Geburtstages des kleinen Sachsen mit der großen Wirkung, hat der alljährliche Festspielzirkus sogar noch ein Vorspiel. Allerdings nicht oben im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, sondern unten im Ort, in der Oberfrankenhalle. Katharina Wagners „BF Medien GmbH“ und die Oper Leipzig sind nämlich auf die marketingclevere Idee gekommen, das Gebot Wagners, nur die Werke zwischen „Fliegendem Holländer“ und „Parsifal“ zu zelebrieren, nicht zu brechen, aber doch zu ergänzen. Im Festspielhaus bleibt alles beim Alten. Da wird sowieso fleißig am Castorf-Ring geschmiedet (bislang sogar ohne einen Gerüchtefunkenflug und diversen Störfeuerchen).

Doch unten im Ort, in der dafür nun wahrlich nicht besonders geeigneten Oberfrankenhalle, gibt es, sozusagen als Geburtstagsschmankerl für die hitzefeste Gemeinde, auch noch die drei sogenannten Frühwerke, also „Die Feen“, „Das Liebesverbot“ und „Rienzi“. Das in Leipzig ja auch für die Oper zuständige Gewandhausorchester hat sich auf diese Art von Sommerfrische eingelassen. Und beim „Rienzi“ den Hitzetest, zu dem diese Aufführung wurde, glänzend bestanden. Wagners amtierender Statthalter auf Erden Christian Thielemann saß am Pult und hatte, im Unterschied zum verdeckten Graben oben auf dem Hügel, dabei durchaus seine Show. Er machte aus dem chorstarken, auch mal ins melodiös Staatstragende abschwirrenden, dick aufgetragenen Pathos ein präzise präsentiertes, in den orchestralen Passagen auch mal auftrumpfendes, aber doch auf die Sänger Rücksicht nehmendes Klangereignis. Eben genau den Wagner ‚Draußen vor der Tür‘, den der Komponist selbst dann doch lieber nicht drinnen in seinem Festspielhaus und dem Kanon seiner gültigen Werke haben wollte.

Den Leipzigern nutzte hier ihr eigener Vorlauf, denn diese vernünftig gekürzte Fassung, die es mit zwei überlebensnotwendigen Durchhaltepausen auf unter vier Stunden brachte, hatte man schon am eigenen Hause in einer eigenen Inszenierung so einstudiert. Das Orchester und Thielemann konnten jedenfalls, dank der akustischen Nachrüstungen dieser Sporthalle, aber vor allem, weil sie offenbar einen Draht zueinander gefunden haben, überzeugen. Vokal freilich blieb die Sache zwiespältig – Robert Dean Smith ist in Bayreuth kein Unbekannter und schon in diversen Partien im Einsatz gewesen. In der Rolle des Volkstribunen wirkte er ständig so, als würde er an seinem Limit singen und blieb doch unter dem Optimum der Partie. Oft eng, jedenfalls nicht frei strahlend, das berühmte Gebet gegen Ende vor allem eine technische Anstrengung. Auch Jennifer Wilsons Irene war allzu angeschärft. Die beste Performance lieferte Daniela Sindram als Adriano. Die restliche Besetzung, wie etwa Jürgen Kurth als Orsini oder Toumas Pursio als Kardinal Orvieto, bewegte sich auf dem in Leipzig üblichen vokalen Niveau. Das wird man auch begutachten können, wenn Ulf Schirmer die Leipziger Feen-Produktion in der Oberfrankenhalle vorstellen wird. Allerdings nur konzertant, da sich die bilderreich üppige Inszenierung wirklich nicht auf einer provisorischen Bühne unterbringen lässt.

Für „Rienzi“ hatten Regisseur Matthias von Stegmann und Bühnenbildner Matthias Lippert hinter antikisierenden Arkadenbruchstücken bewegliche Tribünenelemente des Veranstaltungsortes nachgebaut und Videoeinspielungen integriert. Zitate aus Eisensteins Filmklassiker sind dabei mit atmosphärischem Effekt mit Variationen der Hallenarchitektur überblendet. Bei Bedarf gibt es einen Baum und eine Treppe. Thomas Kaisers Kostümierung der (Chor-)Massen verweist auf die Gegenwart. Ein Repertoire von konventionellen Operngesten ersetzt, wohl auch raumbedingt, eine echte durchgängige Personenregie. Hier jedenfalls kommt es nicht über die Qualitäten eines Openair- Spektakels hinaus. Immerhin bleibt am Ende wieder einmal das Staunen darüber, wie dicht die Entstehung des „Rienzi“ und des „Fliegenden Holländer“ zeitlich beieinander liegen. Und wie unterschiedlich die Resultate sind. Und mit seinem Kanon für Bayreuth hatte der Meister wohl Recht.