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Von der Kraft der Utopie

Dale Wassermann/Mitch Leigh: Der Mann von La Mancha

Theater:Gärtnerplatztheater, Premiere:02.10.2013Autor(in) der Vorlage:Miguel CervantesRegie:Josef E. KöpplingerMusikalische Leitung:Andreas Kowalewitz

Wegen Umbau ist das Münchner Gärtnerplatztheater ohne eigenes Haus, da muss die Spielzeit mit einem „Knaller“ eröffnet werden. Aber nun ein Musical, in dem es um echte Werte, den Sieg von Anstand, Wahrheit und Mitgefühl geht, erst recht das Festhalten an diesem „unmöglichen Traum“ – ist das nicht alles völlig uncool und damit out? Schon 1605, im Bestsellerroman von Miguel Cervantes, wird der scheinbar aus seiner Zeit gefallene Ritter Don Quijote verlacht, verspottet und gedemütigt. Dennoch rappelt er sich jedes Mal wieder auf und folgt dem Stern der Wahrhaftigkeit. Zuletzt trabte dieser „Ritter von der traurigen Gestalt“ 2004 in Gestalt von Bruno Jonas über die Bühne des Gärtnerplatztheaters. Jetzt reitet ein beachtlicher Nachfolger in der umgebauten Reithalle erneut – und dem gesamten Team um Intendant Josef Köpplinger gelingt viel Theaterzauber.

Auf der Premierenfeier forderte auch Intendant Köpplinger ein „Dennoch!“ – trotz „Ungarn“, „Russland“ und der Hoffnungslosigkeit im südeuropäischen Ländergürtel. Deshalb beginnt seine Inszenierung im Hier und Jetzt, auf offener, quadratischer Spielfläche zwischen zwei Tribünenblöcken: ein trister Platz in irgendeiner Vorstadt, brennende Abfalltonnen, alte Bänke, ein Holztisch. Es kann auch eine zum Gefängnis umfunktionierte Tiefgarage sein (Bühne: Thomas Stingl), in der immer wieder heutige, hünenhafte „Security“-Schläger im Dienste des unsichtbar drohenden „Staates“ und eines anonymen „Gerichts“ auftauchen. Dort wird (dies ist die Rahmenhandlung von Dale Wassermans Musical) Cervantes mit Assistent Sancho eingeliefert. Die Attacken der abgestumpften, rüde miteinander umgehenden Insassen wehrt er wie Scheherazade mit ihren 1001 Erzählungen ab, indem er sich aus dem Koffer seiner Manuskript-Märchen eine Rüstung überstülpt. Dann spielt er ihnen Quijotes Kampf gegen die Windmühlen, die Verklärung einer Schenke zum Schloss, die Verehrung der Wirtshaushure als „Dame Dulcinea“ und weitere „Heldentaten“ vor.

All das gelingt in zwei pausenlosen Stunden, mal tempo- und aktionsreich, mal durch dramaturgisch sinnvolle Lichtwechsel traumhaft ruhig. Köpplinger und sein Team zaubern mit dem ganzen Reichtum des „armen Theaters“: Pferd und Esel aus rollbaren Metallböcken, Decken und Kopfmasken (Szenenbeifall für Pál Szepesi und Nicola Gravante); eine Leiter und auf einer Holzstange gedrehte Bretter als Windmühle, vielfältig genutzte Stühle, Bänke, Tücher undundund… bis zum traumhaft ausgeleuchteten Walle-Tuch über der ganzen Spielfläche und einer an den spanisch-arabischen Toleranz-Traum von Al-Analuz erinnernden Bauchtanz-Einlage von Kenia Gonzàles. Da spielen die 16 „Insassen“ in bruchloser Mischung aus Solisten und Statisten in über 30 Rollen turbulent und faszinierend mit – ja, sie wandeln sich zum Gutteil: einhelliger Beifall für sie alle.

Auch wenn Dirigent Andreas Kowalewitz, seine unsichtbaren 15 Musiker auf der Hinterbühne und die Tontechniker noch den dumpfen Sound verbessern müssen, wenn Carin Filipcics Dulcinea und Peter Lesiaks Sancho noch gesanglich zulegen sollten: der Preis des Abends geht an den herrlich unzeitgemäßen, aber utopisch mitreißenden Quijote von Erwin Windegger. Inmitten von „Bankstern“ und „Polit-Muftis“ brauchen wir solche Gegenentwürfe!

Termine

Sa. 5. Oktober 2013 19.30 Uhr
Mo. 7. Oktober 2013 19.30 Uhr
Di. 8. Oktober 2013 19.30 Uhr
Do. 10. Oktober 2013 19.30 Uhr
Fr. 11. Oktober 2013 19.30 Uhr
Sa. 12. Oktober 2013 19.30 Uhr
So. 13. Oktober 2013 18.00 Uhr*
Di. 15. Oktober 2013 19.30 Uhr
Mi. 16. Oktober 2013 19.30 Uhr
Do. 17. Oktober 2013 19.30 Uhr*
Fr. 18. Oktober 2013 19.30 Uhr*
Sa. 19. Oktober 2013 19.30 Uhr