Auf der Bühne ist ein mit Plastikfolie eingehülltes Gerüst zu sehen, das sich später, als die Folie heruntergerissen wird, als eine Art Archivregal entpuppt. Vier Kästen stehen herum, auf dem Boden liegen Archivboxen. Von Beginn an weist sich „algo pasó“ als intermediales Projekt aus: Der Mexikaner Daniel Primo entwickelt mit Licht und Videos eigene Geschichten, wie die Versuche eines Filmteams, einen Waffenhändler zu interviewen.
Es gehört zum Grundprinzip des Erzählens von Köck in diesem Spiel in Schleifen um das Thema zu kreisen. Da forscht das Ensemble über die Möglichkeiten eines Anfangs, aber auch über das Ende: Lässt sich nicht erst vom Ende einer Geschichte her deren Anfang begreifen? Die Suche nach den Spuren in der Geschichte von Menschen führt direkt in das Archiv. Damit verbunden sind grundsätzliche Fragen wie, was bewahrt ein Archiv auf? Verschwindet im Archiv nicht ein Verschwundener noch einmal? Köck geht es nicht allein um die politische Seite des Phänomens, sondern bindet diese auch philosophisch ein, indem er sich auf Jean Baudrillard bezieht.
Erzählungen im Patchworkmuster
„algo pasó“ fordert einerseits eine politische Haltung heraus, versucht andererseits durch epische Distanz emotionale Parteinahme zu verhindern. Das gelingt nicht immer: Zu groß ist seine Sympathie für Anna Seghers, die in Mexiko ihr Exil fand, zu groß auch seine Empörung über die Waffenlieferungen von „Heckler & Koch“ aus Oberndorf an Mexiko, die dann unrechtmäßig an Drogen- und Waffenhändler weitergegangen sind. Auserzählt wird keine der Geschichten.
Die Aufführung hat die Struktur eines Patchworkmusters: Mal wirken die Dialoge improvisiert, insbesondere, wenn Micaela Gramajo und Bernardo Gamboa agieren, denen es gelingt, ihr deutlich spürbares Engagement mit großer Leichtigkeit umzusetzen. Andererseits aber entwickelt Köck eine verdichtete Sprache, die einen lyrischen Charakter hat. Notwendig muss sich dieser Doppelcharakter, der die Ästhetik des Textes prägt, auch in der Inszenierung von Thomas Köck zeigen, die sich sehr stark auf die atmosphärische Musik von Andreas Spechtl stützt. Eine größere Stringenz hätte der Aufführung gutgetan. Mit Kürzungen würde sie gewinnen. Kleine Details bleiben verwischt wie beispielsweise die Funktion der durchsichtigen Plastikgesichtsmasken.
Dennoch: Diese Inszenierung spiegelt in ihrer rastlosen Suche nach Spuren verschwundener Menschen in- und außerhalb von Mexiko eine klare politische Haltung. Sie überzeugt in ihren disparaten Geschichten und Medieneinsatz durch ihr Engagement.