Längst ist da der zaghafte Beginn des Spiels vergessen, sehr laute, oft monologische Gespräche prägen die Darstellung. Im Mittelteil sind sie mit russischer Filmmusik unterlegt, gehen auch in arienhafte Reden über; immer mehr übernimmt jedoch amerikanischer Sound, von der englischsprachigen Sowjethymne bis zu den Rolling Stones, die musikalische Oberhoheit, so wie auch Coca-Cola-Schildchen und -Dosen die russische Revolutionsbühne untergraben.
Alles dreht sich also im Kreise, an der Mühle, auf der aufgehängte Darstellerinnen das Revolutionsspiel schließlich zu einem fatalistischen Gleichnis machen, und auf der rotierenden Drehbühne. Erstmals in Stuttgart inszenierend schenkt Castorf den Schwaben gar nichts, sondern macht Theater wie in Berlin. Ohne Kompromisse “dreht” er sein Ding, unaufhörlich um das ferne Thema russische Revolution kreisend, mit aufgedrehten Gestalten, die sich für Ideen ereifern und nebenbei Slips waschen oder Ehebruch begehen. Dabei gelingt es Castorf auch in Stuttgart, die Darsteller zu kunstvoller Selbstverausgabung zu bringen. Besonders sind da Astrid Meyerfeldt, Matti Krause und Wolfgang Michalek zu nennen.
Das ist nicht neu und tut nicht weiter weh, auch wenn es nach einigen Stunden unvermeidlich ermüdend wirkt. Der Altmeister lässt sich nur noch in routinierten Witzen auf das gequälte Publikum ein und kreiselt ansonsten um seine Welt, bohrt mit Kunstblut in den Wunden der Welt, lässt die Gestalten am Erbrochenen ersticken oder sich im Wassertrog ertränken. Im Grunde ist dieses Theater ein monologisches Reden, ja ein Selbstgespräch des Regisseurs, der bekanntlich kein Ende finden mag.
Das ist nach wie vor so langweilig und vermessen wie eindrücklich, Castorf eben. Neu scheint mir in Stuttgart einzig das Element der Montage von Live-Bildern von Akteuren in reale (sowjetische) Filme, die zwischen Kunstwerk und Geschichtsdokument die Folie für die fragmentierten Gestalten bieten.
Verschärft wird die Eigenheit dieses Theaters noch durch die Fremdheit des Textes bei keinerlei pädagogischem Interesse der Textfassung und Inszenierung sowie die ferne Welt einer russischen Welt aus Historie und Utopie. In seiner Hermetik und ausschweifenden Erzählweise hat der lange Abend wieder eine eigene Kraft, nah kommt er einem nur schwerlich, aber irgendwas bohrt sich doch in Gehirn und Gedächtnis des Zuschauers ein. Ein Drehen und Kreisen, wirre Bewegung, lautes Anreden gegen Dunkelheit. Nun aber genug, Schluss jetzt, das soll hier nicht ewig so weitergehen.