Szene aus "Wie es euch gefällt"

Viel Spaß, wenig Tiefe

William Shakespeare: Wie es euch gefällt

Theater:Landestheater Schwaben, Premiere:07.10.2022Regie:Johanna SchallMusikalische Leitung:Elias Weber

Nachdem Kathrin Mädler nach Oberhausen weitergezogen ist, haben nun für zwei Jahre Christine Hofer und Alexander May eine „Zwischenintendanz“ am Landestheater Memmingen übernommen. Für ihre Eröffnungspremiere haben sie „Wie es euch gefällt“ von Shakespeare ausgewählt und die Regisseurin Johanna Schall geholt, um ein ganz neues Ensemble zusammenzubringen und zu formen.

Schall setzt in diesem Durcheinander der Identitäten bei Shakespeare auf das Spielen selbst. Hier spielt jeder mit jedem, steigt auch einmal aus, verliert die Kontrolle, überfordert sich selbst. Wenn Theater, wie Brecht im „Kleinen Organon“ schreibt, das Theater keinen anderen Ausweis benötige als den Spaß, so scheint das hier voll verwirklicht. Wo aber bleibt das Gesellschaftliche?

In einem im Programmflyer abgedruckten Interview verweist Schall auf die der Komödie zu Grunde liegenden Brutalitäten: Ein Bruder verjagt seinen Bruder als König, ein Bruder möchte, dass sein Bruder im Ringkampf getötet würde, kurz: Es geht um Machtdemonstrationen. Auch beim ABC der Liebe, das Shakespeare bei den verschiedenen Liebespaaren durchbuchstabiert, geht es neben dem Zauber der Liebe auch um Macht.

Grobe Komik

Es scheint aber, dass die Entscheidung diese Komödie mit nur sieben Darsteller und Darstellerinnen sowie einem Musiker zu inszenieren, zu grober Komik verführt. Wenn Sebastian Egger seinen Orlando, der sich Hals über Kopf in Rosalind verliebt, wunderbar zart als von Amors Pfeil Getroffener spielt, übernimmt er zugleich mit hoher Fistelstimmer und grotesker Gestik die weibliche Rolle der Audrey. Das hat einen hohen Lachwert.

Bis auf Almut Kohnle als Rosalind spielen alle im Ensemble Doppelrollen. Kohnle führt eine resolute Figur vor – die, wenn sie ihre Spieldominanz zu verlieren droht, es ein wenig zu stark überspielt – und bringt damit die tragische Gefährdung, die dem Spiel innewohnt, zum Verschwinden. Schön ist, dass ihre Männlichkeitsgesten einerseits forsch sind, andererseits versteckt sie darin auch nicht ihre Weiblichkeit. So entsteht ein flirrendes Powerspiel, manchmal ein wenig zu lautstark.

Milena Weber zeigt eine eher schüchterne Cecilia – die Freundin und Cousine Rosalinds, mit der sie nach deren Verbannung in den Wald von Arden geht. Je länger die Flucht dauert, umso selbstbewusster wirkt sie. Zumal sie der Verwechslungsintrige von Rosalind, die sich auf der Flucht als Mann verkleidet hat und den liebenden Orlando narrt, kritisch-distanziert zuschaut. Als Phoebe muss sie schräg lispeln.

Theater wird sichtbar

Und das ist das Problem der Inszenierung von Schall: Sie verwandelt alle Nebenrollen in Knallchargen. Sei es Tom Christopher Büning als Ringer Charles, sei es Klaus Philipp als alter Knecht Adam (am Stock zappelnd) oder Michael Naroditski als Schäfer Silvius. Thomas Hamer hingegen holt aus seiner Doppelrolle als Oliver, dem „bösen“ älteren Bruder von Orlando und den Melancholiker Jacques, der die Welt als Bühne sieht, starke Nuancen. Charmant löst Schall das Schlusstableau, zu dem alle Personen Shakespeares auf der Bühne sind: Da werden schnell die Kostümteile, die die einzelnen Figuren kennzeichnen, gewechselt und die Theaterhaftigkeit der vorgeführten Vorgänge betont.

Musikalisch begleitet wird die Aufführung von Elias Weber, der die Lieder, die in der Übersetzung von Thomas Brasch eine große Rolle spielen, vertont und für die Spielhandlungen einen eingängigen melodischen Rhythmus geschaffen hat, die – verfremdet – an eine Zirkusatmosphäre erinnern.

Nicolaus-Johannes Heyse lässt in seinem Bühnenbild die Hofszenen vor einem weißen Vorhang spielen. In den Szenen, die im Wald von Arden spielen, hat er einen riesigen Baum mit vielen Röhrenwurzeln konstruiert, der silbrig glänzt. Jenny Schall hat die Figuren teils in knallbunte Kostüme gesteckt, andererseits erinnern manche an die 20er-Jahre, der Orlando des Sebastian Egger in einen Proleten oder der lange Mantel, den der Herzog Frederik, der einen Bruder vertrieben hat, an einen Soldatenmantel.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass, wenn es auch der Inszenierung von Johanna Schall an Tiefe fehlt, das Ensemble über ein hohes künstlerisches Potential verfügt, das auf dessen Zukunft neugierig macht. Und es wäre schön, wenn sich die Gesellschaftsutopie Shakespeare durchsetzen könnte: Da lässt eine Begegnung mit einem frommen Mann den bösen Herzog zur Besinnung kommen und alle Ämter wieder an seinen vertriebenen Bruder zurückgeben … Ach, wäre es in der Welt so einfach …