Man muss schon auf die Musik hören, um die Seelenlandschaften etwas deutlicher zu erkennen. Dirigent Andrea Marcon lässt das großartig spielende _La Cetra Barockorchester Basel_ die feinsten Nuancen nachzeichnen. Der erste Akt ist noch ganz in der lichten Stimmung der jungen Liebe zwischen der Königstochter Ginevra (so präsent wie fragil: Maya Boog) und Ariodante (überragend: Franziska Gottwald). Die Streicher legen den Teppich aus, auf dem das Paar weich gebettet wird. Die atmosphärischen Störungen von Gegenspieler Polinesso (mit männlicher Dämonie: Christiane Bassek) sind noch marginal. Als Dalinda (berührend und mit brillanter Koloratur: Agata Wilewska) sich aber im zweiten Akt auf Polinessos Wunsch als Ginevra verkleidet und so den Verdacht der Untreue aufkommen lässt, schlagen die emotionalen Wellen hoch. Franziska Gottwald singt Ariodantes lange Klage „Scherza infida“ mit großer Expressivität. Andrea Marcon schärft die Extreme. Die langsamen Arien lässt er noch freier und getragener musizieren, die schnellen macht das junge Orchester zu echten Energiespendern. Luca Tittoto ist ein entscheidungsschwacher König mit Schottenrock und elegantem Bariton, Nikolay Borchev ein so beweglicher wie berührender Lurcanio.
Zum überraschenden Happy End gibt Regisseur Stefan Pucher noch einen deutlich ironischen Kommentar, indem er den die Tugend besingenden Schlusschor von jungen Vorzeigefamilien in normierter Freizeitkleidung vortragen lässt. Wenn das mal gut geht.