Foto: Ensemble des Staatstheaters Cottbus in "Two Penny Opera" © Marlies Kross
Text:Ute Grundmann, am 12. Juni 2022
„Money makes the world go round“, singen sie zwar nicht, aber sie meinen genau das. Geld, Geiz, Gier regieren die Welt – die des 18. genauso wie die Welt unseres, des 21. Jahrhunderts. Das ist der Kern eines höchst vergnüglichen Spektakels, das Armin Petras im Großen Haus des Staatstheaters Cottbus angerichtet hat. „Two Penny Opera. Rock-Zirkus nach der Musik von den Tiger Lillies“ ist der etwas umständliche Titel einer Inszenierung, die das Publikum mit allen Mitteln des Theaters und der Zirzensik befeuert.
Die Dollarzeichen erscheinen nicht nur auf der Übertitelung, für die ersehnten Scheinchen wirbeln die Cheerleader sogar die güldenen Pompons. Heiraten für Geld, nicht aus Lust oder gar Liebe, ist die Devise. Und für Diebe dreht sich sowieso die Welt um nichts anderes. Diese und ein paar andere wohlverpackte Botschaften bringen Armin Petras und sein Team geschickt unter in einem Wirbel von Musik, Spiel, Tanz und Artistik. Diese „Opera“ hat zwar einen Groschen weniger als ihre Vorgänger, ist aber nicht weniger vergnüglich.
Wildes Zirkustreiben
Denn natürlich ist man bei der „Beggar’s opera“ von John Gay aus dem Jahr 1726 und der „Dreigroschenoper“ von Brecht und Weill. Die Anarcho-Band The Tiger Lillies machte ein Konzeptalbum daraus, Petras wiederum ein Schauspiel, das nun das Große Haus rockt. Das aber wird erst mal fürs Spektakel zurechtgemacht: Artisten zupfen noch an der Manege herum, die auf der Bühne steht. „Welcome back Mackie“ grüßt ein Schriftband, ein Haifisch wird auch vorbeigetragen. Ein gelungener Spagat sorgt für den ersten Applaus, der beim „Moon over SoHo“ zum Mitklatschen wird. Macky (wie er hier geschrieben wird) ist zwar „back in town“, hat aber ein böses Lied mitgebracht: Maria hat er ermordet, Joseph auch, Gott sowieso und auf deren Gräber gepisst, erzählt er (Kai Börner) in heiserem Sprechgesang. Sein Werkzeug, ein Stiletto, landet dann auf der rotierenden Messerwerferscheibe. Polly kann sich retten – noch. In diesem Wechsel von Gut und Böse, Vergnügen und leisem Schrecken wird der kurze, kurzweilige Abend bleiben.
„Nach der Musik der Tiger Lillies“ heißt er, weil die Songs des Albums neu arrangiert wurden und wohl auch nicht alle Musik von ihnen stammt. Der musikalische Leiter aber, Miles Perkin, bleibt nicht hinter den Kulissen, sondern ist mittendrin: Als Page gekleidet, spielt er Gitarre, singt, macht Rhythmus, läuft sogar Rollschuh. Auch Choreografin Berit Jentzsch ist Teil des fabelhaften Ensembles, das hier mit großem Können und Spielfreude die Diebesgeschichte erzählt. Und Armin Petras greift zu allen Instrumenten, die Theater und Zirkus zu bieten haben. Zum Stelzentänzer gesellt sich eine Frau auf Kothurnen; Torben Appel gibt eine hinreißende Dragqueen im bodenlangen Negligé und noch längerer Schleppe. Halbmasken verwandeln die Darsteller in Pferde, Schweine, Teufelslämmer. Sogar die Rolling-Stones-Zunge passt auf eine Lederjacke in diesem Spektakel, das bald melodisch gesungen, bald rockig aufgeheizt wird und in dem ein Gitarren-Riff sogar Tote erwecken kann.
Aber Petras wäre nicht Petras, wenn er seinem Rock-Zirkus nicht auch ein paar Botschaften mitgeben würde: Neben dem die Welt regierenden Geld ist das die Umweltzerstörung (Johannes Scheidweiler betrauert hinreißend ausgestorbene Urzeit-Tiere) und die verloren gegangene Achtsamkeit für die Mitmenschen. Doch das kommt nicht mit dem Holzhammer daher, sondern höchstens mit den niedlichen Hämmerchen, mit denen der Sarg des nicht begnadigten Macky zugenagelt wird. Und ob es nach 90 Minuten ins Nirgendwo geht oder doch ins Paradies – das lässt die mitreißende Inszenierung offen.