Wenn ein Mann Blumen verteilt, ist offenbar Misstrauen geboten. Jedenfalls ist es so in Demis Volpis Ballett „Hypnotic Poison“ (Uraufführung 2012 am Theater Augsburg). Es ist der erste von insgesamt drei Teilen der Coburger gleichnamigen Premiere. Er zeigt darin Verführungssituationen, denen allen die bedrohliche Atmosphäre des Verbotenen, eine Spur der Gefahr gemein ist. Fünf Tänzerinnen bewegen sich zunächst mit dem Rücken zum Publikum, spielen dabei mit langem offenen Haar, dazu ertönt ein schrilles, Misstrauen erweckendes Gelächter. Dann lässt sich ein Mädchen, „die Verführte“ (Eun Kyung Chung) von den Blumen anlocken, die ein Verführer (Po-Sheng Yeh) verteilt hat. Zu spät erkennt sie seine wahren Absichten, sie kann sich seiner Gewalt und der weiterer Männer, die hinzukommen, nicht mehr erwehren: Sie reißen ihr die Blüten vom Kleid, wirbeln sie herum, erniedrigen sie. Dann wieder stehen die weiblichen Reize im Vordergrund: eine nackte nixenhafte Frau (Chih-Lin Chan) in einem Wasserbassin, eingelassen in den vorderen Teil der Bühne, ein Fischer (Federico Frido), der nicht widerstehen kann und zögernd zu ihr ins Wasser steigt: Es ist das Finale der ersten Arbeit des Abends, in der Stuttgarter Hauschoreograph Demis Volpi mit wenigen, symbolkräftigen Ideen Spannung erzeugt, ein dramatisches Potenzial entwickelt. Teils überspannt er allerdings auch das erotische Potenzial, vor allem in der Schluss-Szene: Mehrfach steckt der Fischer seinen Kopf ins Wasser, schleudert dramatisch seinen nassen Kopf zurück – als hätte die große Begierde nicht jeder längst wahrgenommen.
Dass nun die Arbeit „Bewitched, Bothered & Bewildered“ des Coburger Ballettdirektors Mark McClain folgt (die er bereits 2000 in Leipzig uraufgeführt hat), ist eine thematisch passende Ergänzung zum ersten Teil des Abends: Sechs Tänzerinnen erzählen in aufeinanderfolgenden Soli getanzte Liebesgeschichten. Stets schauen die übrigen Tänzerinnen der jeweiligen Protagonistin zu, dann und wann wird (in traurigen Momenten) auch mal eine von ihnen getröstet. Da ist ein Samtvorhang als Rückwand, jede Tänzerin steckt in einem anderen schwarzen Abendkleid, und die Musikauswahl reicht von Aretha Franklin bis Billie Holiday. In dieser Mischung entsteht ein bisschen Varieté, ein fast musicalartiges Storytelling, und natürlich gibt es mit Pirouetten auf Spitze und diversen Sprüngen viel klassisches Bewegungsrepertoire des Balletts zu sehen. Die einzelnen Tanzszenen sind anziehend, schön anzuschauen – im Vergleich zu den beiden anderen Choreographien fehlt es aber dieser Kreation ein wenig an Tiefe, so unterhaltsam sie auch ist.