Die Idee der Regisseurin Kai Anne Schuhmacher überzeugt: Die ganze „Entführung aus dem Serail“ wird auf die Beziehung zwischen Konstanze und Belmonte konzentriert. Nichts Orientalisches also, kein Setting voller Rassismus- und Klischeefettnäpfe. Es beginnt auch verheißungsvoll anders. Von links kommt einer, ulkig gewandet, und schiebt ein weißes E-Piano herein, enthüllt es, spielt darauf. Ein anderer kommt, gekleidet ein wenig wie ein Zirkusdirektor, und rezitiert dazu ein Gedicht, möglicherweise von Heinrich Heine, über das Problem, eine harmonische, lebendige Beziehung zu führen. Er tut es brillant. Während der Ouvertüre wird dann ein schlafendes Paar in der Tücherlandschaft sichtbar. Sie, wohl schwanger, steht auf, packt etwas in einen Koffer und geht. Merkwürdige Gestalten sehen ihr vom Rand zu.
Liebesschule mit bunten Masken
So weit, so schön. Aber ist’s Traum, ist’s Wirklichkeit? Und wo geht sie hin? Später begegnen wir Konstanze, der jungen Frau, im „Serail“. Hier befindet sie sich in der Obhut (oder unter der Herrschaft) von Bassa Selim, dem Gedichtrezitator. Aber hier fangen die Probleme an: Wer ist er, wenn er kein intellektueller orientalischer Machtmensch ist? Wer sind diese von den Choristinnen und Choristen dargestellten Masken? Folgt man dem Programmheft, handelt es sich um allegorische Figuren. Folgt man dem eigenen Blick, erkennt man durchaus originell verzerrte Bildklischees aus der Zirkus-, Varieté- und vielleicht auch Karnevalswelt. Als ein Bildspender der Kostüme von Valerie Hirschmann lässt sich das Kino-Musical „The Greatest Showman“ ausmachen, das im Zirkusmilieu des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist. Aber was heißt das jetzt für dieses „Serail“? Ist es eine Liebesschule? Und wenn ja, wer lehrt hier? Der von Florian Reiners beeindruckend gesprochene Bassa spricht zu Beginn und am Ende kluge Worte. Dazwischen kommt er weiß geschminkt daher, oft mit freier Brust, ein Hedonist, ein postexpressionistischer Grusel-Bösewicht. Eine Figur kann und darf er nicht sein. Als Belmonte erscheint, auf der Suche nach seiner Frau, erweist sich Osmin (Lucas Singer mit begrenzten stimmlichen Möglichkeiten, aber viel Spielenergie) als eine Art Störsender, gleichsam als reine dramaturgische Funktion. Er soll Belmonte von Konstanze fernhalten, sonst nichts. Man interessiert sich so wenig für ihn wie für seinen Gegenpart Pedrillo (souverän in Ton und Spiel: Dustin Drosdziok) oder die auch stimmlich nicht überzeugende Blonde (Rebecca Murphy).