Das Thema könnte aktueller eigentlich nicht sein: Was geht in Menschen vor sich, die ihre Familie, ihre Heimat hinter sich gelassen haben, um Krieg zu führen und dann nach langer, langer Zeit wieder nach Hause zurückkehren? Was ist mit den Kriegern selbst passiert? Und was mit deren Angehörigen? Um diese Fragen kreist Claudio Monteverdis „Il ritorno d‘Ulisse in patria“ aus dem Jahr 1640. Es sind überzeitliche Fragen, die wohl in jeder Generation virulent sind, weil auch Kriege sich leider wie ein roter Faden durch die Menschheit ziehen. In Bielefeld kam nun eine musiktheatralische Neuschöpfung zur Uraufführung, bei der Komponist Sebastian Schwab, Jahrgang 1993, Monteverdis musikalisches Material zum Ausgangspunkt eigener künstlerischer Auseinandersetzung machte: „Odysseus‘ Heimkehr“.
Dabei konzentrieren sich Sebastian Schwab und Regisseur Wolfgang Nägele ausschließlich auf das Beziehungsdreieck Odysseus, Penelope und Telemaco, also Vater, Mutter, Sohn. Alles andere fällt weg. Keine Götter, keine Nebenhandlungen. Was natürlich bleibt, sind die fünf Freier, die während Odysseus’ zwanzigjähriger Abwesenheit girrend um Penelope werben. Erfolglos, erst recht in dem Moment, da Odysseus inkognito – er ist als heruntergekommener Bettler nach Hause zurückgekommen – die Prüfung besteht und als einziger die Kraft aufbringt, Pfeil und Bogen zu bedienen. Das Ergebnis: fünf durchbohrte Freier, die schon gleich zu Beginn von Schwabs Oper tot auf der Drehbühne liegen – Verweis auf die Konsequenz dieser Rückkehr des Helden von Troja. Dieses Bild mit den fünf Leichen kehrt erwartungsgemäß kurz vor dem Schluss noch einmal wieder. Vollends tragisch aber wird es nach dem mehrfachen Mord. Denn Penelope lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich zu einer selbstbewussten, starken Frau entwickelt hat. Ihre existenziellen Gedanken über sich und ihren Partner führen zu einem klaren Ergebnis: Ein Zurück zu der Beziehung, wie sie vor zwanzig Jahren einmal war, wird es nicht geben. Und sei Odysseus noch so kraftstrotzend. Dafür findet Wolfgang Nägele ein plastisches und emotional dichtes Bild: Die traute Runde am Frühstückstisch, an dem Vater Odysseus die Zeitung liest, Telemaco artig sein Brot isst und Penelope für Kaffee sorgt, nimmt eine jähe Wendung. Penelope lässt ihren Teller samt Toast zu Boden fallen, steht auf – und geht. Heimchen am Herd wird sie fortan nicht wieder sein (Telemaco schlüpft an ihrer Stelle in diese Rolle).