Realität Shakespearetragödie

Kai O. Schubert: Romeo und Julia an der Jukebox

Theater:Theater Eisleben, Premiere:16.08.2025 (UA)Regie:Frank Martin Widmaier

Die Uraufführung  „Romeo und Julia an der Jukebox“ wird am Theater Eisleben statt mit Fokus auf den Shakespeareklassiker mit Blick auf reale Beziehungsarbeit inszeniert. Intendant Frank Martin Widmaier setzt auf viel Humor mit echten Konflikten.

„Bist du nicht Romeo? Der Wessi mit dem Benz?“ Nicht im Verona des 17. Jahrhunderts, sondern im Sommer 1990, auf einem Campingplatz im LK Mansfeld-Südharz lernten sich Romeo und Julia kennen. Und verliebten sich unsterblich ineinander. So beginnt zumindest die Liebesgeschichte von Klaus und Jaqueline, in diesem Sommer von allen Romeo und Julia genannt. 35 Jahre später ist der Zauber verflogen. Klaus steht mit seinem Autohaus vor der Pleite, Jaqueline verdient in einer Arztpraxis etwas dazu, träumt aber von einem selbstbestimmten Leben. Was romantisch begann, lässt „Romeo und Julia an der Jukebox“ als Uraufführung in eine Zweckehe münden.

„Du hast doch gesagt, ich soll mehr in unsere Beziehung investieren.“ „Und da kaufst du eine Jukebox?“ Mittels Musik will Klaus die Gefühle von früher erwecken, die gute alte Zeit beschwören. Jaqueline erkennt, dass es darum nicht geht, oder nur zum Teil. „Du willst wieder jung sein, Klaus. Das geht nicht!“ So mischen sich in dieser Komödie Erinnerungen an den Sommer des Umbruchs, prallen Perspektiven Ost und West aufeinander. Denn Klaus kommt aus Böblingen. Die Jukebox liefert Sounds der Lebensgefühle, aber entwickelt manchmal eigenes Leben, wenn sie den agitatorischen Oktoberclub-Song („Sag mit wo du stehst“) spielt. Neben Karat und Puhdys erklingt natürlich Ute Freudenbergs „Jugendliebe“, auch wenn der Schlager viel älter ist. Pop Marke West liefern die Petshopboys.

Humor und echte Konflikte

Spuren von Ostalgie kommen nicht. Auch wenn Jaqueline meint, es habe doch schon 1990 in der Luft gelegen, dass die Freiheit ihren Preis habe. Da zeigt sie sich als besonders hellsichtig, den meisten im Osten ging das erst später auf. Der Stoff ist mit viel Humor garniert, enthält aber genügend echte Konflikte, sodass er nicht zum leichtem Komödchen wird. Der Autor Kai O. Schubert hat einige Dialoge aus Shakespeares Vorbild verwendet, nur für den Campingplatz abgewandelt. Das ist ganz pfiffig gemacht, wie die Doppelbödigkeit des Stoffs gefällt. Denn neben der unterkühlten Beziehung ist das Alter Thema: Was wäre aus Romeo und Julia geworden, wären sie nicht gestorben? Was ist übrig geblieben vom Lebenstraum? Den Zuschauenden wird ausreichend Platz gelassen für eigene Reflexion darüber, was aus ihrer Beziehung und aus ihren Wünschen von einst geworden ist.

Theater Eisleben Romeo und Julia

Oliver Beck und Annette Baldin in „Romeo und Julia an der Jukebox“ am Theater Eisleben. Foto: Hannah Loewenau

Dass das rund über die Bühne geht, liegt an den zwei guten Darstellenden. Sie geben nicht nur Klaus und Jaqueline, sondern sie schlüpfen mit kleinen Accessoires wie einem Haarband, einer Mütze oder einem Kissen als Bauch, Mütze in andere Rollen. Die spielen sie in Mimik, Gestik und Körperhaltung glaubhaft. Da passt auch das astrein gebabbelte Schwäbisch von Klaus’ Kumpel. Als souveräne Jaqueline gefällt Annette Baldin. Oliver Becks Klaus wirkt erst ein bisschen holprig, kommt dann aber vor allen in den jugendlichen Szenen besonders zu sich. Raffiniert ist, wie er in einer Szene rasch abwechselnd Klaus und seinen Freund im spaßigen Clinch spielt, bei dem sie sich gegenseitig in die Rippen piksen. Das ist hervorragendes Timing. Insgesamt fallen die Wechsel flott aus auf der flexiblen Bühne eines Wohnzimmers (Ausstattung: Erwin Bode). Da wird eine Leiter mit Besenstiel und Decke zum Zelt, ein Eckbank hochkant aufgestellt zum Baumhaus. Leichtigkeit spricht aus dem improvisiert wirkenden Ansatz, die ihrerseits das Unbekümmerte der Jugend spiegelt. So wird Shakespeares Tragödie um die romantische Liebe in eine Komödie der realen Beziehungsarbeit transferiert, gegen den Strich gebürstet und hübsch umgekrempelt.