Mit dem berühmten Apfelschuss – hyperrealistisch effektvoll als coup des theâtre inszeniert – endet in München der erste Teil, bevor zur nachgeholten Ouvertüre nach der Pause Jemmy der Sohn Tells (zierlich, aber mit intensiv leuchtendem Sopran: Evgeniya Sotnikova) wieder an der Rampe kauert und eine wilde Comic-Welt und die Phantasmagorie absurd puppenhaft agierender Nazi-Soldaten imaginiert, bevor die Geschichte an dem Punkt weitergeht, wo sie vor der Pause aufgehört hatte.
Glücklicherweise hat Rossini aber auch eine große Liebesgeschichte in seine Oper eingebaut und mit Bryan Hymel als Arnold Melcthal und Marina Rebeka als Mathilde standen zwei Sänger auf der Bühne, die ihren exorbitant schweren Partien nichts schuldig blieben. Hymel besitzt nicht nur einen ungemein schönen, warm und weich strömenden, in allen Lagen gefestigten Tenor, sondern vermag auch seine zahlreichen Spitzentöne perfekt zu setzen, während Rebeka in ihrem Sopran jugendlich dramatische Fülle mit schlanker Beweglichkeit und Koloratursicherheit verbindet.
Auch alle kleineren Partien sind festspielwürdig besetzt: Allen voran die Hedwige, Gattin Tells mit Mezzosopran Jennifer Johnston. Doch auch Rodolphe (wunderbar aasig gespielt und gesungen vom Charaktertenor Kevin Conners), Leuthold (Christian Rieger) oder Ruedi, den Enea Scala gleich zu Beginn mit hohem, leichtem Tenor ausstattete, der alte Melcthal (Christoph Stepinger) oder Walter Furst (Goran Juri?).
Dan Ettinger meinte wohl, wenn auf der Bühne aggressiv agiert wird, dann muss auch das Orchester entsprechend unter Dauer-Hochdruck spielen. Doch das war weder sängerfreundlich, noch konnte es den Reichtum von Rossinis Partitur gerecht werden.