Musikalisch ist das überwältigend. Am einen Ende der Duisburger Kraftzentrale rockt die Band Jealous, am anderen die Band Steamboat Switzerland, dazu die Percussionistin und Improvisationskünstlerin Camille Emaille. An einer der langen Seiten der Halle ist das Asasello Quartett platziert. In der Mitte sitzt, auf Drehhöckerchen und mit gutem Abstand, das Publikum. Um es herum bewegen sich die Schauspielerin Sylvie Rohrer, die Sängerinnen Christina Daletska, Caroline Melzer und Sarah Pagin sowie die Vokalartistin und Sounddesignerin Catnapp. Großartige Künstlerinnen und Künstler, allesamt.
Die musikalische Struktur kann, zumindest von uns aus der Sesamstraße-Generation, als „Was-passiert-dann-Maschine“ bezeichnet werden. Immer wieder steht ein Klangpartikel am Anfang, ein Schrei, ein paar Worte, eine kleine Kaskade von Koloraturen, eine einfache Gesangslinie, ein Violinen-Glissando, ein Schlagzeug-Wummern. Diese werden erweitert, durch- und mit anderen Komponenten zusammengeführt – Sprecherin mit Vokalartistin; Sängerinnen gemeinsam und gegeneinander, auch mit Band oder Streichquartett; Bratsche und Cello plus Percussion; alle mit allen und vieles dazwischen. Abstrakte akustische Gemälde blühen auf, werden abrupt abgerissen oder verblühen wieder und aus dem Humus scheint Neues zu wachsen. Ganze Klangwelten kommunizieren miteinander. Vor allem, was im experimentellen Musiktheater heute durchaus erwähnt werden muss: Der klassisch singende Mensch steht nicht am Rand. Er ist vollwertiges Mitglied dieses heterogen strahlende Musikkosmos des Schweizer Komponisten Michael Wertmüller, der manchmal sogar von der guten alten Oper zu träumen scheint. Oder sind die vielen wilden Koloraturausflüge etwa nicht von der Königin der Nacht inspiriert? Ist das herzerweichende, leidenschaftlich ironische Terzett der drei Sängerinnen mit seinen lustvoll eingestanzten musikalischen Widerhaken kein sanftes Weiterträumen des „Rosenkavalier“-Schlussterzetts?