Szene mit Gesche Geier (Pasiphae)

Stylisch charmant im Barockhimmel

Johann Georg Conradi: Die schöne und getreue Ariadne

Theater:Landestheater Niederbayern, Premiere:25.04.2014 (UA)Regie:Jonathan LunnMusikalische Leitung:Kai Röhrig

Das stylische Zimmer in Weiß beengt, weitet sich durch Projektionen zu Ariadnes verliebtem Frühlingserwachen. Via Fernsehmonitoren verfünffachen sich in barocker Fülle Frauenporträts modellike schön, verführerische Lippen. Bacchus liebt Ariadne, Ariadne Theseus, Theseus noch mehr die Schwester Phädra. Ein ziemliches Liebesgeknäuel auf Kreta, das wie Ariadnes roter Faden ein wunderbares Happy-End ergibt.

Mit der Uraufführung von Johann Georg Conradis „Die schöne und getreue Ariadne“ ist dem Landestheater Niederbayern eine bemerkenswerte Entdeckung gelungen. Unter der Regie und Choreographie von Jonathan Lunn und der musikalischen Leitung von Kai Röhrig gelingt ein barock charmantes Meisterwerk, so dass man sich fragt, warum es nicht schon längst für die Bühne inszeniert wurde, zumal Conradis Musik, 2003 vom Bostoner Orchester anlässlich des „Early Music Boston Festivals“ entdeckt und auf CD eingespielt, überaus positiv rezipiert wurde. Deutsche Barockmusik konnte sich nie durchsetzen. Neun Opern schrieb Johann Georg Conradi (1645 – 1699) als Kapellmeister am Hamburger Theater am Gänsemarkt, das zu den führenden Opernhäusern Deutschlands zählte. Nur „Die schöne und getreue Ariadne“, seine erste Oper, 1691, blieb erhalten.

Conradis Musik ist nicht überwältigend, aber sehr charmant, zumal er wunderbar die italienischen und französischen Einflüsse mit deutscher Volkstümlichkeit kombiniert. Koloraturarien setzt Conradi sehr gezielt ein, dann, wenn die Himmelsebene erreicht wird oder die Gefühle übermächtig werden. Die Vielfalt der Arien gefällt durch ihre schlichte Melodieführung, die sehr innigen Liebesduette und die imposanten Tutti. Kai Röhrig dirigiert die Niederbayerische Philharmonie in kleiner Besetzung temperamentvoll, immer im Dienste der Sänger. Unaufdringlich begleitet Mark Nordstrand am Cembalo die Rezitative.

Das Ensemble meistert die Partitur mit Bravour, insbesondere Emily Fultz (Phädra) durch ihr warm durchglühtes Timbre, Peter Tilch (Minos) mit baritonalem Wohlklang, Albertus Engelbrecht (Theseus) Wolfgang Frisch (Pirithous), Oscar Imhoff mit buffonesker Stotter-Arie (Diener). Schade, dass Mandie de Villiers-Schutte (Ariadne) trotz ihres innigen „Fahr wohl mein Schatz“ insgesamt zu sehr forciert und dadurch etwas schrill wirkt. Als Gastsängerin setzt Gesche Geier (Pasipha?) fulminante Akzente, wogegen Countertenor Roland Schneider (Bacchus) hinter den Erwartungen endorphinisierender Koloraturen bleibt.

Der eigentliche Clou der Uraufführung ist allerdings die erstklassige Inszenierung mit Sängern, deren Charme, Optik und Expression zum Erlebnis wird. Regisseur und Choreograf Jonathan Lunn entdeckt die Vielschichtigkeit der Oper und erweitert sie, reduziert modern und dupliziert die Reduzierung barock. So entsteht ein charmantes Oszillieren zwischen Ernsthaftigkeit und subtiler Satire, in der jedes Detail zum roten Faden im Labyrinth der Liebe wird, unterstützt durch rasante Kostüme, modern ästhetische Bühnenausstattung (Alexandra Burgstaller) und subtile Personenregie, die den Sängern bei Nebel und in Missionarsstellung einiges abverlangt. Das himmlische Verliebtsein in atemberaubend geschlitzten Kleidern fällt in die Niederungen des Revuemilieus schwarzer Dessous. Wie geklont spiegeln drei Tänzer (Garth Mole, Bernadette Leitner, Anja-Carina Maisenbacher) die psychotischen Zustände von Ariadne und Bacchus. Hebt sich der rote Samtvorhang, verschwindet Theseus im nebelumwogten Labyrinth von Türen auf der Jagd nach dem Minotaurus. Der rote Faden Ariadnes wird im Film zum Würgemittel und taucht als Bacchus roter Liebesbrief im Endlosformat wieder auf. In weißen Schrankelementen finden und suchen sich die Liebespaare neu, nachdem in der buffonesken Messerschleiferszene die Fäden pantomimisch zerschnitten wurden. Das Happy-End cremefarben-golden im Doppelbett unter himmelblauen Pappmache-Wolken menuettmäßig umtanzt, beendet spritzig die barocke Seifenoper, in der sich 2500 Jahre Kulturgeschichte spiegeln. So charmant kann deutsche Barockoper sein. Bravo!

Premieren:
Passau 12.04.2014
Straubing 22.04.2014
Landshut 25.04.2014