Helen Schneider, die zuletzt Gunter Gabriel in seiner Johnny-Cash-Revue so locker an die Wand sang, spielt die unselige Norma zwischen Euphorie und Selbstmordversuch wie gefriergetrocknet. Während ihre apart gebrochene Stimme wunderbar zum Schwebezustand der Figur passt, bleibt die Darstellung absolut eindimensionale Verpackungskunst, ein Lebenslüge-Mahnmal ohne Selbstironie. Humor ist auch Hardy Rudolz als markant auftrumpfendem Betreuer mit der Melancholie bis ins Hohlkreuz nicht gestattet; und der begabte Oliver Arno im Dichter & Escort-Schrittwechsel mit „Jesus Christ“-Stimme kann zumindest von knusprigen Dialog-Restbeständen naschen.
Dabei merkt man Gil Mehmerts Regie an, dass sie gerne mehr Spaß im Spiel hätte. Wenn Statisten mit vier Scheinwerfern eine Limousinen-Verfolgungsjagd nachstellen oder die Diva im schmerzhaft blendenden Großaufnahme-Licht erblüht, bekommt man Ahnung von den Möglichkeiten grotesker Zuspitzung. Aber meistens wird mit dem dicken Daumen auf die Gefühlstaste gedrückt, also mit Schattenspiel und Schluchzern statt Billy Wilders Frechheit nur Andrew Lloyd Webbers Edelkitsch beschworen. Dirigent Heiko Lippmanns Orchester mit Musikern aus der Republik Belarus hat den Sound so sicher im Griff, wie das bei Schaumschlag eben geht. Das zunächst verhalten reagierende Premierenpublikum applaudierte nach höllischem Knalleffekt zum Finale musicalgemäß lautstark samt Standing ovations, aber im Detail passt eher Michael Kunzes deutsche Übersetzung, die holpernd zu tiefer Wahrheit über die Haltbarkeit dieses Musicals durchdrang – sie reimte Teufel auf Zweifel.