Foto: © Dominique Brewingufstieg
Text:Manfred Jahnke, am 7. Juni 2025
Die Inszenierung von „Cité d’or – Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart“ von La Fleur und dem Theater Rampe in Koproduktion mit der Staatsoper Stuttgart fragt nach dem Untergang von Autostädten und spielt auch auf die Identität Stuttgarts an. Das Ensemble zeigt sich in Höchstform, während Weill und Techno verschmelzen.
Stuttgart ist bekanntlich eine Autostadt, und der Autobau ist in der Krise. Was liegt da näher, als über Transformationen nachzudenken? In „Cité d’or – Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart“ macht das die Gruppe La Fleur, eine internationale Gruppe, die sich 2016 gründete. Wie der Titel verrät, orientiert sich die Aufführung dabei stark an den inhaltlichen und musikalischen Motiven von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Dessen Musik wird von einem zwölfköpfigen Ensemble, bestehend aus Mitgliedern des Staatsorchesters Stuttgart, gespielt. Denn „Cité d’or“ ist eine Produktion von La Fleur und dem Theater Rampe in Koproduktion mit der Staatsoper Stuttgart. Aufgeführt wird es passenderweise in den Räumen eines Autohauses.
In drei Räumen wird erzählt, wie Sinnlichkeit (und die Welt) unter dem Verbot, kein Geld zu haben, zur Ware verkommt – und am Ende sich selbst zerstört. In einem kleinen Spiegelkabinett führen Ordinateur und Carlos Martinez kurze Tänze mit Break-Dance-Elementen vor – wenn das Publikum zahlt. Und das tut es. Hauptspielstätte ist ein großes Foyer, dominiert von einer Treppenkonstruktion. In diesem Raum sitzt auch das Orchester, von Luka Hauser voller Lust dirigiert. Ergänzt wird es von Timor Litzenberger, der mit E-Gitarre und Syntheziser seine und die von Vetcho Lolas komponierte elektronische Musik spielt bis hin zum Techno. Im dritten Raum, einer ehemaligen, riesigen Montagehalle, wird der Schluss, die „Apokalypse“ gezeigt.
Ensemble in Höchstform
Die Ausstatter Mukenge/Schellhammer belassen die Räume in ihrer Ursprünglichkeit, es werden keine theatralen Räume aufgebaut. Umso mehr investieren sie in die Kostüme, die ständig gewechselt werden, von einer anfangs eher pastellfarbenen Grundierung zu grelleren Farben. In diesem Ambiente führt Monika Gintersdorfer (Regie) das Ensemble zur Höchstform: Können und Spaß lassen diese Aufführung explodieren. Ausgehend von der Frage, wie andere Autostädte ihren Untergang aufgearbeitet haben – wie Detroit, die zur großen „Techno“-Stadt wurde – oder Abidjan, wo die Tanzbewegung „Coupé Décalé“ erfunden wurde, wird die Stuttgarter Situation verhandelt, durchaus mit direkten politischen Anspielungen. Persönliche Beziehungen fehlen nicht, wenn etwa Carlos Martinez seine Heimatstadt Mexiko City mit Stuttgart zusammenbringt.

Bei „Cité d’or – Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart“ fusionieren Weill und Techno. Foto: Daniela Wolf
Das Ensemble von „La Fleur“ beherrscht Spiel, Tanz und Gesang, wobei zumeist französisch gesungen wird. Ordinateur, Vetcho Lolas, Carlo Martinez, Der Cora Frost und Annick Chico, die als Jenny grandios ist, sprühen vor Spiellust. Ihre tänzerischen Bewegungen orientieren sich am Urban Dance, Break Dance und Rap. Monika Gintersdorfer gelingt es dabei, die Aufführung in einen improvisatorischen Schwebezustand zu halten, was Hauke Heumann als mitspielenden „Übersetzer“ aus dem Französischen ins Deutsche manchmal ins Schwitzen bringt. Soviel Charme, wie dieses Ensemble auch im direkten Anspiel an das Publikum zeigt, ist selten zu sehen. Mehr noch, wie hier Weill und Techno miteinander verschmelzen, ist beeindruckend gelungen.