Das Flüchtlingscamp ist eine kleine Stadt, aus billig und schnell zusammen geschraubten Häuschen. Es gibt einen Kiosk, eine Bar, einen Arzt, eine Fabrik, eine Spielhölle. Und den Grenzübergang zur Lörischen Republik. Ich brauche einen Nachweis über politische oder religiöse Verfolgung, eine Geburtsurkunde, ein Gesundheitszertifikat. Und wie mach ich das? Der Grenzbeamte zuckt nur mit den Schultern. Überall im Flüchtlingscamp sind Hinweise versteckt. Manchmal liegen sie ganz offen da, und man sieht sie trotzdem nicht. Es geht um die Wahrnehmung in der Performance „Right of Passage“. Und um Strategien zur Problemlösung. Manche suchen allein drauf los, andere im Team. Ich entscheide mich dafür, die Performer zu fragen. Manchmal geben sie Antworten, sogar der unsympathische Soldat. Da gibt es einen Raum voller Akten, aber der steht leer. Er gehörte einer Hilfsorganisation, die niemandem mehr hilft.
Plötzlich Tumult. Jemand ist zusammen gebrochen. Die Handlung stockt. Die Spieler wiederholen immer die gleichen Sätze, in einer Endlosschleife. Wir sollen helfen, Dinge suchen, vorher geht es nicht weiter. Das sind die sogenannten Point & Click-Adventures, die machina eX bisher entwickelt hat. Diesmal kombinieren sie das mit einem Open-World-System, in dem sich die Besucher frei bewegen, das sie mitgestalten können. Vieles erinnert an die Performances von Signa, auch der hemmungslose Umgang mit Klischees. Allerdings wird bei machina eX niemand körperlich angegangen, weder aggressiv noch sexuell.
Oft geht es nicht weiter. Das frustriert. Zwischendurch muss man Geld verdienen, durch Arbeit in der Fabrik. Auf Knöpfe drücken, an Hebeln ziehen, Muttern auf Schrauben drehen. Die Chefin betrügt einen, wo sie nur kann. Oft muss man eine Doppelschicht leisten, um einmal Gehalt zu bekommen. Wieder Frust. Nachvollziehbarer Frust. Schließlich sind wir in einem Flüchtlingslager. Über all die Ablenkungen, die Aufgaben und Rätsel zwischendurch vergesse ich fast, dass ich noch Stempel und Urkunden besorgen muss. Plötzlich verkündet der Grenzbeamte, das Lager werde gleich geschlossen. Wilde Geschäftigkeit bricht aus. Ich schaffe es nicht, in die Lörische Republik zu kommen.
Von den Biographien der Charaktere hat man in den drei Stunden nur Bruchstücke mitgekriegt. Aber das ist im wirklichen Leben ebenfalls so. Auch wenn „Right of Passage“ in einer fiktiven Welt spielt, schimmern viele Versatzstücke der Realität durch. Es ist etwas völlig anderes, Momente von Willkür und Orientierungslosigkeit in einem körperlichen Spiel zu erleben als zu Hause vor dem Computer. Das Theatergame befriedigt nicht nur den Spieltrieb. Es sensibilisiert für das Thema und die eigenen Wahrnehmungen. Hier ist eine überzeugende Theaterform entstanden, die sich weiter entwickeln wird.