Für das Theater bearbeitete Erfolgsromane sind auf unseren Schaubühnen en vogue. Und besonders reizvoll, wenn das Genre einen Kriminalfall mit regionalem Flair und schillerndem Lokalkolorit behandelt. Bernd Schroeders 2006 erschienener Roman „Hau“, der jetzt in einer Textfassung und in der Regie von Rudi Gaul als „Der Fall Hau“ am Theater in Baden-Baden seine Uraufführung erlebt, bietet einen solchen Stoff par excellence.
Im Mai 1901 lernt der 1881 geborene Jurastudent Carl Hau in Ajaccio auf Korsika bei einem Erholungsaufenthalt Josefine, die wohlhabende Witwe des Baden-Badener Medizinalrates Franz Molitor, und deren beide Töchter Lina und Olga kennen. Er verliebt sich in die sechs Jahre ältere Lina und flieht mit ihr in die Schweiz, wo die beiden die Heiratserlaubnis ihrer Mutter und seines Vaters erzwingen. Das Paar wandert zusammen mit dem bald geborenen Töchterchen in die USA aus. Von dort aus spiegelt Carl der Baden-Badener Verwandtschaft (und seiner Frau) eine großartige Juristen-Karriere vor. 1906 trifft sich das Ehepaar mit Schwägerin Olga, deren mit Eifersüchteleien verbundene Beziehung zu Carl zweideutig bleibt, in Paris. Briefe, in denen Lina hohe Geldsummen von ihrer Mutter fordert, ominöse Telegramme und Telefonanrufe leiten noch im selben Jahr den verwickelten Tathergang ein, in dessen Ergebnis Carls Schwiegermutter Josefine, in Begleitung ihrer Tochter Olga aus ihrer Villa gelockt, am 6. November gegen 17.20 Uhr in Höhe der Baden-Badener „Lindenstaffeln“ von hinten erschossen wird. Im folgenden, vor dem Schwurgericht des Landesgerichts Karlsruhe verhandelten, von der internationalen Sensationspresse begleiteten Indizienprozess, der in der badischen Residenz regelrechte von Polizei und Militär in Zaum gehaltene Volksaufläufe auslöst, wird Carl Hau 1907 als Mörder zum Tode verurteilt und vom Großherzog zu lebenslanger Zuchthaushaft begnadigt. Seine Frau Lina, die noch während der Verhandlungen Selbstmord begeht, hatte ihn der Tat beschuldigt. 1924 kommt Hau vorzeitig frei, veröffentlicht zwei Bücher über seinen Prozess und stirbt 1926 auf der Flucht vor neuem Haftbefehl per Suizid in Tivoli bei Rom.