Ensembleszene aus "El galpón", eine Choreographie von Daniel Goldin.

Skurriler Abschied mit Tango Argentino

Daniel Goldin: El galpón

Theater:Städtische Bühnen Münster, Premiere:22.10.2011

Schnell, geradezu hektisch, tanzt das Ensemble im Rampenlicht. Daniel Goldin lässt einen muskelbepackten Rugby-Spieler über die Bühne wackeln, eine Nonne im Schlauchkleid wirft Konfetti. Mit Hundemaske hüpft ein Tänzer kläffend auf allen vieren, einer anderer tanzt Tango in Unterhose und High Heels. Wer Daniel Goldins melancholisch-lyrische Arbeiten kennt, dürfte von derart skurrilen, überdrehten Szenen überrascht gewesen sein. „El galpón“ ist Goldins letzte Uraufführung an den Städtischen Bühnen Münster; seit 1996 leitet er dort die Tanztheatersparte.

Schon die Kostüme stechen ungewöhnlich grell ins Auge: Ein Tänzer in hautengem, orangenen Anzug und roten Stiefeln fordert Geld, ein anderer sitzt breitbeinig in knapper Lacklederhose da, den Schürhaken demonstrativ gezückt. Die Stimmung ist angespannt: Zwei Passagiere sitzen, nebeneinander gezwängt, auf einer schmalen Bank im Zug, bis sie einander aggressiv anspucken, Trinker und Bettler treten auf; bedrohlich marschiert das Ensemble immer wieder aufs Publikum zu.
Impressionen aus den „galpones“, ehemaligen Lagern und Schuppen in Einwanderervierteln von Buenos Aires, der Heimatstadt des Choreografen. Moderne Szene- und Kulturviertel sind mit den Jahren dort entstanden; in Goldins „galpón“ zeigt sich die Kunst im Tango Argentino, vermischt mit zeitgenössischem Tanz und Tanztheater. Lebensfreude geht in Nachtclubs und teurem Kommerz zugrunde, Dollarscheine türmen sich auf der Straße; am Ende werden bunte Spitzenschuhe auf Silbertellern serviert und gewaltsam zerstört.

In Zusammenhang mit dem Ende des Tanztheaters wirkt Daniel Goldins letzte Produktion wie ein Affront gegen den tanztechnisch klassischer orientierten Hans Henning Paar, der die Tanzsparte ab 2012/2013 leiten wird. Alice Cerrato, Goldins wunderbare, langjährige Tänzerin, blickt erstaunt auf Figuren, die, seelenlos wie Puppen, auf der Bühne stehen; als holte sie der Tod, wird sie ausgezogen und fortgetragen. Der verzweifelte Aufschrei eines Choreografen, der sein Tanztheater sterben sieht?