Peter Moltzen und Ensemble in Dimiter Gotscheffs "Shakespeare"-Variationen am DT Berlin.

Shakespeare-Workshop

Dimiter Gottscheff / Ivan Panteleev: Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige

Theater:Deutsches Theater Berlin, Premiere:23.11.2012 (UA)Vorlage:William ShakespeareRegie:Dimiter Gottscheff

Zuweilen nimmt das Wort Gestalt an in dieser Shakespeare-Collage. Wenn Wolfram Koch so intensiv vom nicht vorhandenen „Gold“ schwadroniert, dass es zwischen Darsteller und Publikum greifbar scheint. Und wenn Samuel Finzi als Caesar von den Mitspielern mehrfach hintereinander erdolcht wird, sprudelt das imaginäre Blut nur so aus seinem zuckenden Körper, belgeitet von comicähnlichen Gesten und Geräuschen, die den roten Saft auf der Bühne in der Vorstellung des Zuschauers real erscheinen lassen. Dabei agieren die hochkarätigen Darsteller auf einer weitgehend leeren Bühne. Katrin Brack zeigt nur überdeutlich die tief heruntergefahrenen Scheinwerfer und von Zeit zu Zeit eine aus dem Boden herausgefahrene Bank, die für die Akteure zum Thron wird. Neben den acht Protagonisten, die zu Beginn und dann immer wieder in der ersten Reihe des Parketts auch zu Zuschauern werden, bringen noch andere Mitspieler Leben auf die Bühne: Margit Bendokat als moderierende Königin wie aus dem Kasperletheater oder Bettina Tornau, die zwischen perfekter Nachahmung und das Kreatürliche insgesamt verfremdenden Darstellung großartig einen Schimpansen als stummen Begleiter des Spiels darstellt, sowie die Sängerin Ruth Rosenfeld mit vier Musikern.

Meike Droste, Peter Jordan, Ole Lagerpusch, Peter Moltzen, Anita Vulesica, Almut Zilcher zeigen starke Soli oder chorische Nummern, ein Best-Of der grausigsten Shakespeare-Szenen aus „Macbeth“, „Hamlet“, „Richard III.“, „Othello“, „Julius Caesar“ oder, „Titus Andronicus“. Samuel Finzi und Wolfram Koch sind jedoch die stärksten Intensivtäter. Koch verbindet in einem dialogischen Monolog Jagos ruhige Verschlagenheit mit Othellos müder und mürber Zuversicht. Immer geht es um Krone und Machtgeilheit, Tod und Liebesverlangen. Als Katalysator dient wie immer bei Dimiter Gotscheff Heiner Müller. Am Ende spricht Margit Bendokat mülleirsch über das Verhältnis der Inszenierung zum Auslöser für diese Produktion, Shakespeare: „MEIN NAME UND DEIN NAME GLÜHN IM BLUT/DAS ER VERGOSSEN HAT MIT UNSERER TINTE“.

Das Blut Shakespeares wird, wie eingangs beschrieben, in „Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige“ zuweilen theatral real. Als Ganzes bleibt die Inszenierung jedoch ein Spiel um Papierkronen. Die Ausschnitte und Verbindungen der Stücke bleiben eine Vergröberung, die Shakespeare eher reduziert als intensiviert. So überdeutlich wandeln Geister und Untote über die Bühne – vor und nach der Pause sind alle Teilnehmer des Banketts am Ende „Hamlets“ durch vergifteten Wein oder Degen tot -, dass die Aufführung fast wie ein Workshop aus den 1980er Jahren wirkt. In einer bunten Mischung aus Situationen und Szenen zeigen tolle Schauspieler großartige Auftritte, ein dramaturgisch überzeugendes Ganzes wird daraus gerade in der Reduzierung der Stücke nicht. Auch nicht durch ein irres Jazz-Solo oder einen röhrenden Mutter-Hass-Punksong Ole Lagerpuschs als Hamlet. Am ehesten hält der Affe das Menschenspiel zusammen, indem er die zentrale Frage durch seine dauernde, menschenähnliche Präsenz andeutet: Sein oder Nicht-Sein.