Aber nicht nur werden gegenwärtiges Pop-Feeling und Shakespeare gesampelt, sondern auch die Bildsprache dieser Inszenierung ist collagiert. Die Bühne wird dominiert von einem dreiteiligen Treppengerüst wie auf einer Baustelle. Viele Auftritte kommen aus dem Schnürboden, unsichtbare Auftritte im Schnürboden oder in der Technik werden per Video auf eine große Leinwand übertragen, die die Bühne nach hinten abschließt. Der Hauptspielort für die beiden Hauptakteure (neben Speiseder Markus Campana als Romeo)ist ein im Bühnenboden eingelassener Spielraum, in der Mitte dominiert von einem hohen weißen Podest (die Gruft). Ein Geländer umgibt diesen Spielraum, den die Spieler immer wieder umkreisen, mal rennend, mal sich wie auf einer Spieluhr bewegend. Der Widerspruch zwischen glitzerndem Kostüm im Renaissance-Stil und Mikrofon dupliziert sich in der Technizität des Raums, der nichts Anderes als seine Funktionalität ausstellt. Kalte Funktionalität als Ausdruck gegenwärtiger Befindlichkeit, die denn paradoxerweise lichterloh lodernde Liebe vorführen soll? Peer Boysen liebt Paradoxien, die sich zu wuchtigen Fragen im Raum entwickeln und manchmal erschlagend wirken.
Ein gutgemachter Popsongabend hat schon etwas für sich. Wie Regina Speiseder, Markus Campana, Corinna Beilharz, Lucca Zürcher oder Nick-Robin Dietrich beispielsweise „Hallelujah“ von Leonard Cohen im Chor a capella vortragen, ist so hinreißend arrangiert, dass sich der Abend lohnt.