Foto: Szene mit Fabian Raabe und Hannah Müller © Christian Kleiner
Text:Björn Hayer, am 25. September 2016
Es ist einfach passiert. Ein kurzes Stelldichein auf Korfu und mit einem Mal ist Ayda schwanger und der werdende Vater Ernst (Fabian Raabe) anfangs geradezu fassungslos. Was sich sodann entspinnt, gibt einen facettenreichen Einblick in die Komplexität menschlicher Beziehungen. Wo wollen die werdenden Eltern hin und wie könnte ein Kind alles verändern? Zwar gibt die Protagonistin vor, das Baby abgetrieben zu haben. Doch als sich beide drei Jahre später erneut zufällig auf der griechischen Insel begegnen, wird Ernst eines Besseren belehrt.
Mit Slapstick und psychologischem Gespür hat Akin E. Sipal ein großartiges Stück namens „Kalami Beach“ über die Suche nach dem eigenen Ich und dessen Platz in der Welt geschrieben, das just am Nationaltheater Mannheim unter der Regie von Tarik Goetzke seine Uraufführung feierte. Keine Frage, diese Inszenierung lebt ganz von ihren herausragenden Schauspielern. Hanna Müller ist bereits mit ihren 27 Jahren ein bewundernswertes Chamäleon in Mimik und Gestik. Vor dem Hintergrund einer kubistischen, roten Felslandschaft und unter aus- und einziehbaren Sonnensegeln erzählen und spielen die beiden Protagonisten zugleich ihre Geschichte. Man ahnt schon: Eineinhalb Stunden kann diese Komödie kaum allein mit Humor und Situationskomik begeistern. Stattdessen setzt diese überwältigende Aufführung eines Seelenduetts auf atmosphärische Variation. Sobald Ayda und ihre Urlaubsliebe in ihre Kindheitserinnerungen eintauchen, nimmt das ansonsten heitere Setting eine melancholische Gestalt an. Meeresprojektion auf der Bühne, zarte Klavierklänge.
Meist hören wir Raabe selbst am Piano. Als er jedoch von der Schwangerschaft erfährt, gleiten seine Finger gemeinsam mit Ayda über die Tasten. Wird daraus wirklich ein gemeinsames Projekt? Das Versprechen auf ein Glück wird sich nicht einlösen. Zu unklar und ungefestigt sind die Entwürfe dieser beiden Lebensnomaden als dass sie sich auf einen gemeinsamen Weg können. Die Frage, ob Ja oder Nein zu einem Kind, entpuppt sich als Symptom einer tieferen Identitätsverunsicherung. Sipals Geschichte ist die Geschichte eines scheiternden Paares wie zweier scheiternder Individualisten. Im Einzelschicksal offenbart sich dabei die grundlegende Krise der Liebe, die sich ergibt, sobald sie zur Verantwortung verpflichtet. „Korfu ist eine epische Insel“, wie die Protagonistin an einer Stelle sagt – eine so lebenskluge wie zeitlose Bühnenerzählung!