Die Wärterin ging „wegen der Krankenversicherung“ zum Militär und arbeitete an einem Ort, der mit dem berüchtigten US-amerikanischen Angst- und Foltergefängnis Abu Ghraib beinahe identisch scheint. Anfangs heißt es, dass sie ja nur Fotos gemacht hätte, schließlich kommt heraus, dass ein Gefangener nach ihren Misshandlungen starb. Der Kontext der Wärterin wird massiv mit Bildern unterstützt, zum Teil mit eben jenen Fotos, die 2004 in vielen Medien zu sehen waren. Die Taten der anderen Personen hingegen sind kaum bildlich darzustellen: In der Heimat begegnet der Soldat per Zufall dem Vorgesetzten aus dem Krieg und erschlägt ihn in einer Extremform von posttraumatischer Belastungsstörung im Affekt. Der Manager schließlich war an massiven Börsenmanipulationen beteiligt und wird als „Bauernopfer“ verurteilt.
Alle drei sind nun auf Tour, um in einer Art Bewährungsprogramm den Besuchern von ihren Verfehlungen zu erzählen. Dabei werden Schlüsselszenen ihrer Laufbahnen des Scheiterns mit wechselnden Rollen nachgespielt (Einstellungsgespräch, Verhör, Gebet, militärpsychologisches Gutachten). Doch die drei Figuren verlieren zusehends die Kontrolle über sich und das eigene Weltbild, das sie doch in Form eines „Wertekompasses“ vermitteln sollen. Dabei bietet die Inszenierung bei aller Bitterkeit einige Momente, in denen das Publikum lachen kann. Allerdings taugen diese kleinen Entspannungsplateaus weniger dazu, das ernste Thema abzuschütteln. Mehr als einmal Durchschnaufen ist nicht drin. Sofort geht es weiter steil bergab in zerrüttete Seelenwelten der Protagonisten und noch weiter: an den Abgrund der „westlichen Zivilisation“.
Melanie Lüninghöner, Daniel Seniuk und Hermann Große-Berg spielen ihre vielfach gebrochenen Charaktere mit mehrfach zerbrochenem Weltbild scheinbar bis zur Selbstaufgabe. Vor allem Lüninghöner sieht man die Erschöpfung beim siebten Vorhang auch an.