Foto: Hardy Punzel und Annelie Straub © Judith Buss
Text:Manfred Jahnke, am 22. Juni 2025
Die Schauburg in München spielt in „Frieden Kriegen“ anhand einer Geschichte aus dem „Mahabarata“-Epos die immer wieder in der Menschheitsgeschichte schwierige Suche nach Frieden durch. Und überzeugt gerade in der Offenheit der Antwortlosigkeit.
Das indische „Mahabharata“, vor mehr als über 4000 Jahren entstanden, gehört mit seiner Sammlung von Geschichten, mythischen Ereignissen und spirituellen Erzählungen zu den ältesten Überlieferungen in der Menschheitsgeschichte. Das Epos ist vielschichtig und umfangreich. Für einen Bearbeiter, legendär ist Peter Brooks Bühnenversion, wird es fast unmöglich, das gesamte Werk auf die Bühne zu stemmen. Katharina Engel hat sich für ihre Fassung an der Münchener Schauburg – „frei nach Motiven aus dem ‚Mahabharata’“ – für die Geschichte vom Konflikt zwischen den Kauravas und den Pandavas entschieden, zwei Zweige einer Familie, die sich darum streiten, wer das Königreich regieren darf.
Familienstreit und Krieg
Wie der doppeldeutige Titel „Frieden Kriegen“ anzeigt, steht die Frage im Zentrum, die am Ende Hardy Punzel als Arjuna herausschreit, als er den Bogen auf seinen Gegner Duryodthana (Anh Kiet Le, der das Dämonische und Brutale seiner Figur genau herausspielt) richtet und wieder sinken lässt: „Was soll ich tun?“ Die Frage wird direkt an das Publikum weitergegeben. Trotz aller Tricks, Intrigen und Betrügereien, die Duryodhana und sein Berater Shakuni, den Simone Oswald schön aasig anlegt, lassen sich die Pandavas nicht unterkriegen. Und das bedeutet: Krieg, den Yudhishtira (blass: Janosch Fries), Bhima, von Sibel Polat mit zarten Tönen gespielt, und Arjuna nicht wollen. Sie werden unterstützt von der Prinzessin Draupadi, der Annelie Straub mit der Zuspitzung des Geschehens eine verstärkte Aggressivität gibt.
Aber was kann gegen einen Machtmenschen bewirkt werden? Ein Schelm, der beim Abschlussschrei – „Was soll ich tun?“ – nicht an der Machtlosigkeit gegen Putin und seinen Angriffskrieg denkt. „Was tun“ schrieb einst Lenin als klare Handlungsanweisung, „Was soll ich tun?“ ist hingegen ein Schrei der Verzweiflung. Für eine Inszenierung von Marcelo Diaz wird auffällig oft geschrien – aus Verzweiflung. Dies trotz der Moderation von David Benito Garcia, der als Erzähler souverän durch die Geschichten führt. Er greift auch in diese ein, nicht nur, dass er flugs in andere Rollen wie den alten König, den Chef der Kuravas, oder in die Rolle eines wegweisenden Affen schlüpft. Manchmal wird er auch von den Mitspielenden für den Gott Krishna gehalten. Garcia reagiert auf solche Ansprachen nicht, er lächelt alles geheimnisvoll weg.
Schwerer, aktueller Stoff
Die Inszenierungen von Marcelo Diaz zeichnen sich durch große Leichtigkeit aus. Obschon er seine bewährten Mittel einsetzt – eine starke Choreografie bis hin zum ausgefeilten Stockkampf sowie hohes Spieltempo -, lastet das Thema von „Frieden Kriegen“ schwer auf der Inszenierung. Und gerade darin wirkt sie ehrlich: Ratlosigkeit ob der politischen Situation – historisch und gegenwärtig – mischen sich mit moralischen Skrupeln und der Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen. In dieser Intention ähnelt die Botschaft Brecht, der es einmal so formulierte: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß!/Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß.“
Im abstrakten Bühnenbild von Thilo Ullrich – eine als Acht angelegte Podesterie, mit einer links in den Zuschauerraum hineinragenden Spielfläche – entsteht mit Bühnennebel und einer raffiniert-diffusen Beleuchtungsregie ein Spektakel, das angesichts des Themas – und einer gewissen Textlastigkeit immer wieder ins Stocken gerät. Die filmisch konzipierte, melodramatische Musik von Lutz Spira begleitet das Geschehen. Die Kostüme von Frederike Marsha Coors zeichnen sich durch historisierende und gegenwärtige Züge aus. Und in der Fassung von Katharina Engel werden nicht die Verse der Vorlage gesprochen, sondern gegenwärtige Prosa. Eine insgesamt spannende Inszenierung nicht nur für junge Menschen.