Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Riggins gelingt die tänzerische Quadratur des Kreises: das fehlende Mittelstück für eine Compagnie des 21. Jahrhunderts frisch zu choreographieren, ohne den Geist des Altmeisters zu verraten, dabei sozusagen Adapter in beide Richtungen zu den traditionellen ersten und dritten Akten anzulegen, um ein organisches Ganzes mit fließenden Übergängen zu gewährleisten.
„Napoli oder Der Fischer und seine Braut“ erzählt von der Liebe zwischen Gennaro (Alexandre Riabko) und Teresina (Silvia Azzoni), die sich zunächst gegen weltliche Widerstände – die Mutter der Braut zöge einen reichen Schwiegersohn vor – und dann gegen jenseitige Mächte in Gestalt eines Wasserdämons (Otto Bubenícek) behaupten muss. Typisch im romantischen Ballett, wird die Handlung durch pantomimische Gesten vorangetrieben, die sich mit reinen, nicht narrativen Tanzsequenzen abwechseln. Diese Pantomimen sind einem Code vergleichbar, den Zuschauer im 19. Jahrhundert entschlüsseln konnten, der indes heutigem Publikum – und auch den Tänzern – nicht unbedingt vertraut ist. Das führt dazu, dass einigen Tänzern diese Gesten in Richtung Pathos verrutschen, andere wiederum sich die Körpersprache der Vergangenheit aufs Glaubwürdigste aneigneten, so dass clowneske Komik wirken kann (Carsten Jung).
Die Hamburger Fassung von „Napoli“ erinnert an die hohe Kunst des Restaurierens historischer Gemälde, bei denen eine große verblasste Stelle mit Farben aus einem anderen Jahrhundert nachgezeichnet werden muss – und eine vergangene Epoche lebendig wird.