Opulenz im Orient

Georg Rudiger: Die Liebe der Danae

Theater:Salzburger Festspiele, Premiere:31.08.2016Regie:Alvis HermanisMusikalische Leitung:Franz Welser-Möst

Riesige Turbane, weite Pluderhosen, goldbestickte Gewänder. Als sich der Wiener Staatsopernchor nach der Premiere von Richard Strauss‘ vorletzter Oper „Die Liebe der Danae“ mit den Tänzerinnen und Solisten zum Schlussapplaus in Reih und Glied aufstellt, zaubert diese fast schon unwirkliche Farbexplosion eine letztes Mal den fernen Orient auf die Bühne. Alvis Hermanis erzählt die „Heitere Mythologie“ als Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Da wird sogar ein weißer Elefant in Originalgröße auf die Bühne geschoben, um dem musikalisch exponierten Auftritt Jupiters am Ende des ersten Aktes auch optisch zur Geltung zu bringen. Das ist bombastisch, opulent und auch ein bisschen größenwahnsinnig. Die Geschichte wird spektakulär bebildert, aber nicht interpretiert. Richard Strauss‘ Flucht in die Kunst mitten im totalen Krieg, der nur eine Generalprobe des Stückes am 16. August 1944 zuließ, da die Salzburger Festspiele abgesagt wurden, interessiert den lettischen Regisseur nicht. Hermanis, der letztes Jahr ein Engagement beim Hamburger Thalia Theater wegen dessen Engagement für Flüchtlinge absagte, will bewusst keine gesellschaftlich-politische Deutung des Stoffs. Strauss‘ L’art pour l’art ist auch sein Statement. Deshalb funktioniert seine Inszenierung bei den Salzburger Festspielen im Großen Haus  erstaunlich gut. Vor allem ist sie nah an der Musik. Das Funkeln der Gewänder spiegelt sich im Glitzern der Musik. Die klangliche Opulenz findet einen Widerhall in der Kostümpracht von Juozas Statkevicius.

Dabei erliegt Dirigent Franz Welser-Möst mit den Wiener Philharmonikern nie der Gefahr, sich an der Klangsinnlichkeit zu berauschen. Rhythmische Genauigkeit und klangliche Transparenz sind die Eckpfeiler der musikalischen Interpretation. Die virtuosen Linien der Streicher und Holzbläser, die weitere Teile der Partitur umranken, bleiben dezent, aber hörbar. Welser-Möst unterscheidet Wichtiges von Unwichtigem, bringt die vielen kleinen Melodiefragmente zum Leuchten und wählt die wenigen klanglichen Höhepunkte wie den Austritt Jupiters ganz bewusst. Den Schlussakkord des ersten Aktes lässt er strahlen, um ihn dann dank seiner vorzüglichen Musiker im Decrescendo zu veredeln. Nur bei einigen offen liegenden Bläsereinsätzen verlieren die Wiener Philharmoniker ihr hohes Niveau. Die Flexibilität dieses Orchester ist für die Solisten die perfekte Grundlage, um ihre Höhenflüge ganz frei zu starten.

Krassimira Stoyanovas reicher, geschmeidiger Sopran bleibt in der schwierigen Partie der Danae selbst bei den heikelsten Sprüngen rund und perfekt austariert. Sie zeigt dabei keine virtuose Stimmakrobatik, sondern glänzt gerade in der Zurücknahme, wenn sie in der höchsten Lage ins Mezzavoce geht, um den Ausdruck zu verinnerlichen. Tomasz Konieczny verbindet als Jupiter ein kräftiges Bassfundament mit lyrischer Emphase. Gerhard Siegel (Midas) hat nicht ganz die gleich Flexibilität, aber er berührt mit hellen Tenorhöhen und feinem Legato. Auch Regine Hangler (Xanthe) und Mária Celeng, Olga Bezsmertna, Michaela Selinger und Jennifer Johnston als Jupiters Exgeliebte Semele, Europa, Alkmene und Leda glänzen in der Luxusbesetzung.

Die Inszenierung dient auch deshalb der Musik, weil Alvis Hermanis die Auftritte groß macht und die subtilen Szenenübergänge mit Hilfe von Lichtwechseln (Gleb Filshtinsky) und projizierten Farbmustern (Videodesign: Ineta Sipunova) auf offener Bühne elegant löst. Dass bei der Premiere kein einziges Mal zwischendurch geklatscht wird, zeigt auch, wie zwingend Dirigent und Regisseur diese Oper zum Fließen bringen. Hermanis‘ Bühne ist eine gekachelte weiße Stufenpyramide vor weißem Hintergrund – ein kühler Kontrapunkt zu den überladenen Kostümen. Zum Goldregen Jupiters, der Danae im Schlaf erreicht, wandern gold-gelbe florale Muster über die Wände. Als sich die Königstochter doch für den einstigen Eselstreiber Midas entscheidet und mit ihm ein Leben in Armut leben muss, fehlt jede Farbe. Neben Teppichen, Webrahmen und einem echten Esel bringt der Regisseur auch 13 Tänzerinnen auf die Bühne, die in verschiedenen Kostümen (vom goldenen Catsuit bis zur weißen Burka) mal als lebendige Statuen fungieren, mal sich mit synchronen Tänzen zur Musik bewegen. Das sieht hübsch aus, ist manches Mal verzichtbar und kann auch stören, wenn  dadurch die Fokussierung wie beim großen Liebesduett von Midas und Danae verlorengeht, bevor sie nach seinem Kuss zu Gold erstarrt. Die Liebe der Danae ist aber stärker als Jupiters Zaubertricks. Da hilft dann auch kein Goldregen mehr.