Ewald Palmetshofers "Sauschneidn" am Theater Ulm

Mut zur Hässlichkeit

Ewald Palmetshofer: Sauschneidn

Theater:Theater Ulm, Premiere:21.02.2015Regie:Fanny Brunner

„Sauschneidn. Ein Mütterspiel“, das erste Stück von Ewald Palmetshofer, 2005 entstanden, hat schon alles, was einen Palmetshofer ausmacht: eine hochartifizielle Sprache, eine äußerst knappe Handlung, die scheinhaft naturalistisch, aber von hohem symbolischen Gehalt ist. Mutter Hansi und Schwiegertochter Rose leben in einer engen Symbiose, voller Hass und Aggressivität. Einig sind sie sich nur, wenn es gegen den nie auftretenden Sohn, den „Saubär“ geht, der die Prinzessin Rosi zur Hure gemacht hat und am besten kastriert werden sollte. Aber es gibt noch eine dritte Rolle, die „Stimme“ deren dramaturgische Funktion im geheimnisvollen Vagen bleibt. Mal tritt sie als erzählende Kommentatorin der Handlungen auf, mal als Sprecherin aller Unterdrückten dieser Welt, mal sitzt sie inmitten des Geschehens.

Es wundert daher nicht, dass Fanny Brunner (Regie) im Podium des Ulmer Theaters die Stimme zuerst in landwirtschaftlicher Arbeitskluft, dann in weißer Unterwäsche, weißem Engelskleid und schließlich im Dirndl auftreten lässt. Sie treibt dabei Barbara Trottmann als Gast von der Adk Bayern in Regensburg in große symbolische Gesten, wenn sie am Kreuz aus Neonröhren, der obere Teil blau eingefärbt, den Gekreuzigten vorführen oder sich mit brauner Farbe beschmieren muss. Diese grellen symbolischen Aktionen verbinden sich aber nicht immer mit klaren Haltungen. Dabei  beginnt „Sauschneidn“ in Ulm mit einer großartigen Szene: Sybille Schleicher als Hansi und Renate Steinle als Rosi stehen nebeneinander, schauen starr ins Publikum, während im Dialog deutlich die Rede davon ist, dass die Mutter der Schwiegertochter die Haare bürstet. Schöner kann man die Isolation und den Kommunikationsverlust dieser Figuren nicht ausstellen.

„Sauschneidn“ ist der große Abend der beiden Darstellerinnen, die sich einem gnadenlosen Kampf um Liebe und Hass aussetzen.  Sybille Schleicher zeigt immer wieder zärtliche Töne zur „Prinzessin“ , um im nächsten Augenblick den Kopf ihre Schwiegertochter heftig auf den Topf mit Erdäpfelsterz zu schlagen. Auch Renate Steinle als Rosi spielt nicht nur die geschundene Kreatur, die zur Schnapsflasche greift, um ihr Martyrium weg zu saufen. Sie versucht dabei immer wieder ihr Ich zu behaupten, mal trotzig- aufmüpfig, mal hinterhältig lächelnd oder ebenso aggressiv wie Hansi. Insgesamt zeigt sie sich in ihrer Rolle desillusionierter als die Mutter.  Atemberaubend bei beiden Schauspielerinnen die schnellen Mimikwechsel, dabei auch der Mut zur Hässlichkeit.

Mit kritischer alpin klingender Musik gliedert Fanny Brunner die einzelnen Szenen. Britta Lammers hat dazu einen artifiziellen Spielraum geschaffen, in dem zwei Podeste dominieren, einen mit einem Tisch, drei Stühlen und einem Kochherd, auf dem anderen zwei Bauernbetten, vor dem Podest ein weiteres Bett, im Hintergrund eine hohe Leiter vor dem Neonkreuz, darunter ein Weihrauchfass. Alle Dinge sind mit lateinischen Texten beschrieben. Am Ende wird mit einer Nebelmaschine, die von der Stimme bedient wird, die ganze Szene eingehüllt. Und ach ja, in Ulm wird die Grazer Fassung des Stücks gespielt, in steirischem Dialekt. Auch den meistern die beiden Schauspielerinnen.