Foto: Ensembleszene mit dem Opernstudio © Geoffroy Schied
Text:Joachim Lange, am 6. November 2025
Im Münchner Cuvilliés-Theater hatte Hans Werner Henzes selten gespielter Zweiakter „Die englische Katze” Premiere. Die Produktion des Opernstudios macht neugierig auf den Nachwuchs und wird in der Inszenierung von Christiane Lutz zum vollen Erfolg.
Wenn im kommenden Jahr der einhundertste Geburtstag von Hans Werner Henze (1926-2012) ansteht, dann ist die Bayerische Staatsoper schon mal dafür gerüstet. Mit einem der maßvoll-ambitionierten, eher kleineren Stücke in luxuriösem Rahmen. Die neue Spielzeit eröffnet Serge Dorny diesmal nämlich wegen Renovierungsarbeiten in der Sommerpause relativ spät, nicht im Nationaltheater mit einem Repertoire-Filetstück, sondern nebenan im Cuvilliés-Theater, mit Henzes selten gespielter Geschichte für Sänger und Instrumentalisten „Die englische Katze“. Die wurde schon 1983 im barocken Rahmen im Schlosstheater in Schwetzingen uraufgeführt.
Voller Erfolg fürs Opernstudio
Diesmal bekommt eine Produktion des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper die ganze Aufmerksamkeit des Spielzeitauftaktes für sich. Und was die jungen Protagonisten in dieser zweiten Münchner Inszenierung dieses Stückes boten (am Gärtnerplatztheater war 2000 die hiesige Erstaufführung), konnte sich tatsächlich hören lassen. Wenn es ein Ziel war, zu demonstrieren, was der künstlerische Nachwuchs an Können und Potenzial zu bieten hat, so ist das überzeugend gelungen und dieser Abend war ein voller Erfolg.
Auch wie Katharina Wincor mit den Musikern des Bayerischen Staatsorchesters in die lustvoll changierende und theateraffine Musik einstieg, die vielen verfremdeten Anspielungen (nicht nur auf Weill und Strauss) und die Passagen des dräuenden orchestralen Aufbäumens lustvoll vom Stapel ließ, vermochte sich durchaus im barocken Glanz dieses Theaters zu entfalten und ließ die eingängige, aparte Virtuosität von Henzes Musiksprache subtil glänzen. Dass sie es dabei nicht vordergründig zugespitzt krachen ließ, passte zur Inszenierung. Bei Christiane Lutz (Regie), Christian Andre Tabakoff (Bühne) und Dorothee Joisten (Kostüme) wurde diese sehr englische Gesellschaft zwar auch mal aufs Blechdach verfrachtet, entkam aber ansonsten dem nobel furnierten Ambiente und der von der Entstehungszeit der Oper inspirierten Mode nicht wirklich. (Man fragt sich zwischendrin immer mal, was wohl Herbert Fritsch daraus gemacht hätte.)
Das Tierische im Menschen entlarven
Den Plot zu der schrägen Geschichte irgendwo im Zwischenreich von Menschen- und Tierwelt lieferte mit Edward Bond einer von Henzes Schriftsteller-Librettisten. Wenn er menschliche Verhaltensmuster auf eine Gesellschaft von Katzen projiziert, dann natürlich mit dem Ehrgeiz, das Tierische im Menschen zu entlarven. Dadurch werden die allenthalben herrschende Gier und Hinterlist, vor allem der Oberschicht, ins Groteske verfremdet und zur Kenntlichkeit entstellt. Raus kommt, dass Katzen auch keine besseren Menschen sind bzw. wären. Allein schon, dass die sich zur vegetarisch lebenden „Gesellschaft zum Schutz der Ratten” zusammengeschlossen haben, ist natürlich eine Steilvorlage, um die herrschende menschliche Scheinheiligkeit und Brutalität zu entlarven.
Der aktuelle Präsident dieser merkwürdigen Gesellschaft, Lord Puff (Michael Butler), ist mit der jungen Minette (helltönend und spielfreudig: Sopranistin Seonwoo Lee) verheiratet. An sie schleicht sich auf samtenen Pfoten der Kater Tom heran. Dass der Erfolg bei ihr hat, ist schon wegen des kraftvoll einschmeichelnden Timbres von Bariton Armand Rabot gut nachvollziehbar. Als sie in flagranti erwischt werden, endet das für Minette tödlich. Tom wechselt – quasi stehender Katerpfote – zu Minettes Schwester Babette (Lucy Altus). Als sich aber herausstellt, dass Tom eigentlich ein steinreicher Erbe ist, schmieden Lord Puff und die dafür nötigen, korrupten Juristen ein Komplott, um das Geld in den Topf ihres seltsamen Vereins umzuleiten.
Sie kommen aber nicht umhin, dann doch zum Messer zu greifen und Tom noch bei dem Notartermin zu meucheln, bei dem er sein Testament zugunsten von Babette hinterlegen wollte. Am Ende schnappt sich Luise (Iana Aivazian ist die kecke und trotz aller vegetarischen Bekenntnisse der Katzen nicht ungefährdete Maus im Stück) die Spendenbüchse und stopft sich die Geldscheine in ihren Rachen. Lee und Rabot führen als tragisches Liebespaar ein Ensemble an, das zu den schönsten Sängerhoffnungen Anlass gibt.
Titel und Bühnenbild dieser freundlich aufgenommenen Inszenierung verweisen quasi von selbst auf Tennessee Williams’ „Katze auf dem heißen Blechdach“. Es bleibt aber beim Beinahe-Kalauer: Wirklich heiß war das Blechdach diesmal nicht.