Szene aus "The Who and the What"

Mohammed war auch nur ein Mann!

Ayad Akhtar: The Who and the What

Theater:Theater Heilbronn, Premiere:01.10.2022Regie:Kay Wuschek

Was wäre eigentlich, wenn wir all die religiösen Grundlagentexte einmal ganz neu lesen, ja, all die in ihr vorkommenden Märtyrer und Heiligen aus einem gänzlich anderen Blickwinkel betrachten würden? Gäbe es dann vielleicht weniger Kriege? Weniger Unterdrückung im Namen von Gott und Dogmatik? Der 1970 in New York geborene Schriftsteller Ayad Akhtar spielt genau diese Überlegungen in seinem Drama „The Who and the What“ durch, und zwar anhand einer äußerst tapferen, geradezu unbeirrbaren Heldin: Nachdem Zarina als Tochter pakistanischstämmiger Eltern in den USA aufwächst und nach muslimischen Maßstäben erzogen wird, beschließt sie die gängigen Traditionen zu hinterfragen.

Allen voran Mohammed gerät in ihren Fokus. Über vier Jahre hinweg studiert die Harvard-Absolventin Biografien des Propheten und schreibt derweil dessen Geschichte neu. Statt einer mythologisch entrückten Ikone, von der allerlei frauenverachtende Lebensregeln abgeleitet werden, sieht sie in ihm schlichtweg einen Mann, der begehrt; einen Mann, der fehlbar ist und dadurch erst menschliche Züge erhält. Als ihrem Vater jedoch das Manuskript in die Hände fällt, steht nicht nur der Vorwurf der Blasphemie im Raum. Die Protagonistin, einzig unterstützt von ihrem zum Islam konvertierten Ehemann Ely, wird gar der Familie verwiesen. Erst spät kommt es zu einer Versöhnung, eben ganz dem Prinzip der Komödie folgend, die das ernste Thema leichtfüßig und stets mit reichlich Humor zu behandeln weiß.

Fehlende Handschrift, lebendige Darstellung

Abgesehen von den passagenweise etwas schleppenden Dialogen und dem in Teilen zu klischierten Personal erweist sich das Stück als dankbares Arrangement. Es ist aktuell, hat Unterhaltungswert und besitzt kritisches Potenzial. Auch deswegen mag die beinah peinlich ausbleibende Signatur der Regie bei der Premiere des Dramas am Stadttheater Heilbronn nicht allzu schwer wiegen. Aber sie macht sich eben doch bemerkbar. Bilder entwickelt Kay Wuschke kaum, schon gar keine besonders überzeugenden und zu Assoziationen einladenden Ideen. Er verlässt sich vielmehr bequem auf sein Ensemble und den Text an sich, was gemeinsam mit einem statischen Bühnenbild zu einer unglücklichen Kombination führt.

Worauf wir schauen, ist eine vage an ein Blatt Papier erinnernde und damit Zarinas Befreiungsmedium repräsentierende Holzwand. Manchmal schiebt sich die eine Hälfte nach oben, um eine zweite, etwas erhöhte Ebene zu eröffnen. Das Warum dahinter erschließt sich genauso wenig wie der situative Einsatz von grünem Licht oder die Gitarrenmusik aus dem Off zwischen den Szenen. Einzig zwei Clips, darunter eines über Zarinas und Elys Hochzeit, das amüsant mit Herz-Emojis und Tanzeinlagen im Stile eines Familienvideos aufwartet, sorgen kurzzeitig für eine Dynamik jenseits der Darsteller:innen.

Ihnen allein ist zu verdanken, dass der Abend gelingt. Insbesondere das Charisma von Sarah Finkel in der Rolle der Zarina entfaltet eine ungeheure Sogwirkung. Mit ihrer Stärke verkörpert sie überzeugend den Kontrapunkt zu einem archaisch-patriarchalen System. Dieser so trotz mancher Schwäche (wie seinem weitestgehenden Verzicht auf Metaphorik und manchmal etwas zu lauern Witzen) wichtige Text wird somit allein lebendig, weil ihm die Schauspieler:innen (darunter noch Romy Klötzel, Stefan Eichberg und Arlen Konietz) zu einer echten und wirkungsmächtigen Glaubwürdigkeit verhelfen.