Szene aus der romantischen Oper "Der Vampyr", Inszenierung und Ausstattung stammen von Hinrich Horstkotte.

Mit Blut vom letzten Biss

Heinrich Marschner: Der Vampyr

Theater:Nordharzer Städtebundtheater, Premiere:26.10.2012Autor(in) der Vorlage:Wilhelm August WohlbrückRegie:Hinrich HorstkotteMusikalische Leitung:Johannes Rieger

Der Vampyr ist ein richtiger Bilderbuchschurke: Schwarzes, wallendes Haupthaar, düster umschattete Augen, Fingernagelkrallen und natürlich spitze Eckzähne. Damit muss Lord Ruthven (Juha Koskela) dreimal bei „zarten und feinen“ Bräuten zubeißen, um sein Vampir-Dasein zu verlängern. Das ist praktisch schon die ganze Handlung in Heinrich Marschners selten gespielter Oper „Der Vampyr“, dazu natürlich barmende Väter und eifersüchtige Bräutigame, die die lustvoll schaudernden Damen in Weiß vor ihrem Schicksal bewahren wollen. Diesen romantisch-gruselnden Zweiakter hat Hinrich Horstkotte im Theater Halberstadt inszeniert und auch Kostüme und Bühnenbild entworfen.

Das ist als Einheitsszenerie ein Kirchenraum, in dem mal im fahlen Licht Vampire aus Luken und Gräbern krabbeln, mal wird im hellen, bürgerlichen Salon Liebesroman-Konversation betrieben und von Liebe gesungen, auf die der Vampir seinen Schatten wirft. Horstkotte setzt diese Schauergeschichte in Kostümen der Entstehungszeit praktisch eins zu eins um, bebildert mit gediegenen Tableaus diese Vampir-Sage. Brechungen oder Ironie sind da sehr fern, unfreiwillige Komik dagegen nicht. Bilderbuch-Pickwickier in karierten Anzügen, langen Haaren und Bärten machen Jagd auf den Vampir, zusammen mit einem Kutten-Chor. Und wenn dann der wütende und trauernde Vater Sir Berkley auf den Vampir-Lord schießt, hat der noch das Blut vom letzten Biss im Gesicht, sinkt hernieder und singt. Es wird theatralisch gesprochen und der von Jan Rozehnal gut einstudierte Chor muss „sprechende“ Gesten machen, die schon ausgestorben schienen.

Nur wenn sich ein schunkelnder Trinkerchor am Wirtshaustisch am schönen Schrecken weidet oder die gemeuchelten Bräute wie Unheilssymbole im Salon umherirren, blitzt mal auf, dass es auch um den Einbruch des wohligen Schauders in die Bürgerlichkeit gehen könnte. Doch solche Doppelbödigkeit ist der Inszenierung weitgehend fremd.

Musikalisch dagegen kann sich dieser „Vampyr“ durchaus hören lassen, das Orchester unter Intendant und Musikdirektor Johannes Rieger spielt den leisen Grusel, aber auch die grellen Bläsereffekte über dunklen Streichern lustvoll, malt die musikalischen Effekte schön aus, ohne ins Klischee zu fallen. Juha Koskelas Vampyr ist leider wenig dämonisch, Annabelle Pichler dagegen singt ganz anrührend die Emmy, eine der Vampirbedrohten Bräute. Und wenn nach knapp drei Stunden das naive Happy End erreicht ist, blecken alle Beteiligten ihre Beißerchen.