Es ist insofern völlig richtig, dass Matthias Rebstock und seine Ausstatterin Sabine Hilscher das Werk von der heiteren Seite nehmen. Wobei – ja: Es geht schon philosophisch zu. Da werden einschlägige Texte von Ernst Bloch, René Descartes, Thomas Morus, Sebastian Brant, Joseph Conrad, aus dem Johannes-Prolog und was nicht sonst noch alles rezitiert, es werden Glaube, Liebe, Hoffnung, Zynismus, Hass, Verzweiflung verhandelt; aber schon die ironisch pointierte Art, in der die wunderbaren Neuen Vocalsolisten Stuttgart das sprechen, entfacht den Verdacht, dass hier nicht ganz so heiß serviert wird, wie einst gekocht wurde. Schnebel und sein Ko-Librettist Roland Quitt haben das Werk in eine Einleitung, fünf „Gänge“ und vier Zwischenspiele unterteilt. In den Gängen verschafft sich das Schnebelsche Bewegungs- und Körpertheater Raum, in den Zwischenspielen wird tendenziell eher reflektiert, wobei Rebstock die Grenzen aber verwischt. Um ein Vorhang-Geviert herum, das zugleich die Bühne und den Nicht-Ort, das Paradies und das Tollhaus markiert, entspinnt er eine große Choreographie menschlicher Narreteien und Sehnsüchte, angesiedelt irgendwo zwischen den abstrakten Musiktheater-Choreographien der Ruth Berghaus, den Märchenszenarien Achim Freyers und Christoph Marthalers Schnurrigkeiten.
Zitate überall also, und allemal in der Musik, die von Theo Nabicht (Klarinetten), Yumi Onda (Violine), Zoé Cartier (Cello), Kai Wangler (Akkordeon), Matthias Engler (Schlagwerk) und den Stuttgarter Maulwerkern wirklich toll realisiert wird. Manchmal hat Schnebel die fremden Versatzstücke so zersplittert, dass man nur ahnt: Mensch das kennst du doch, und sich dann das Hirn zergrübelt, woher denn bloß. Den Dreivierteltakt-Tanz der freudigen Götterfunken, bei dem die Vokalisten zu siamesischen Zwillingswesen aus Mensch und Gliederpuppe werden, oder die angeschrägte Marseillaise identifiziert man natürlich sofort. Und wenn der Meister sich in Akkordbrechungen mit obligatem Trallala-Singsang ergeht, scheint er Arvo Pärts Neo-Sakralmusik und die US-Minimal-Music gleichermaßen zu parodieren. An den Gängen der Vokalsolisten-Akteure könnte das Ministerium für ausgefallene Gangarten des ambulanten Avantgardisten Monty Python mitgewirkt haben. Aber neben den skurrilen Momenten gibt es auch sehr intensive, und die Duett-Maulwerkerei der Sopranistin Sarah Maria Sun mit dem Tenor Martin Nagy, bei der einer den Mund des anderen als Resonanzraum benutzt, ist ein extrem intensiver Moment. Und irgendwann, wenn man denkt: na, nun reicht es aber auch – dann ist der Reigen tatsächlich zu Ende, mit der so alltäglichen wie bangen Frage: „Du kommst schon noch??!“ Auch das kann ja so manches bedeuten.