Am ehesten könnte diese „Prinzessin aus Eis“ wohl als leichte Komödie mit Widerhaken funktionieren. Dem stehen allerdings weite Strecken der Musik des bei der Premiere gefeierten Aachener Komponisten Anno Schreier entgegen. Die Komposition leidet an einer Seuche, die zur Zeit unter Uraufführungskomponisten weit verbreitet scheint. Man könnte sie salopp als „Straussitis“ bezeichnen. Spät- und postromantische Musik wird mit modernistischen Dissonanzen und Geräuschmaterial angereichert, originell instrumentiert und als Neutöner-Sound verkauft. Schreier, zu dessen Hausgöttern offensichtlich auch Wagner und Strawinsky gehören, erstickt mit wiederholtem sinfonischem Aufrauschen sämtliche Komödienansätze. Die Anlage der Prinzessin als eine Art Kitsch-Salome dagegen ist man geneigt zu akzeptieren, zumal Katharina Hagopian mühelos rollendeckend singt und sogar komisches Potenzial aus der musikalischen Konfrontation mit dem Übervater aus Garmisch-Partenkirchen herauskitzelt. Für Stimmen schreiben kann Schreier übrigens mehr als ordentlich, wie vor allem die klaren, lebendigen Rollenporträts der Tenöre Keith Stonum, Patricio Arroyo und Johan Weigel zeigen. Und wenn sich der Komponist mal zur Durchsichtigkeit traut, mal eine Szene auf den Gegensatz von flirrenden Flöten und hüpfendem Fagott oder Windmaschine und brummender Tuba baut, ohne den Klang mit Mittelstimmen zuzukleistern, hört man plötzlich Talent und Theaterinstinkt. Da erfindet er für jeden der Expeditionsmitglieder, die sich um die Hand der Prinzessin bewerben, ein eigenes musikalisches Idiom, das zudem mit einer musikgeschichtlichen Epoche verlinkt ist. Das hat Witz und klingt in der leichthändigen Umsetzung des Sinfonieorchesters Aachen unter Christoph Breidler sogar bestrickend. Und die öko-sauren Chöre der Eisbären („Ihr perforiert das Kühlsystem des fiebrigen Planeten“) werden in ihrer klugen Summ-und-Brumm-Ästhetik zu kleinen theatralischen Kabinettstückchen, wo immer Malunat ihnen eine dialogische Struktur beschafft. Aber dann läuft die Prinzessin unmotiviert zur Brandmauer, um so zu tun, als triebe sie auf der Eisscholle ab und das Orchester strausst wieder, dass es nur so kracht. Warum nur?