Sabine Haymann

Kurzweilig-munter

Johann Strauß: Wiener Blut

Theater:Theater Pforzheim, Premiere:21.12.2019Regie:Hannes Hametner, Guido MarkowitzMusikalische Leitung:Philipp Haag

„Wiener Blut“ rinnt im ersten Akt der gleichnamigen Operette, die Adolf Müller im Auftrag des greisen Komponisten Johann Strauß aus dessen Melodien 1899 zusammengestellt hat, noch dünnflüssig über die Bretter des Pforzheimer Stadttheaters. Auf dem schmalen Bühnenstreifen zwischen Rampe und streifig bunt tapezierter Rückwand, der von einer grauen, mit roten Kissen bestückten Breitwand-Chaiselongue ausgefüllt wird (Bühne: Jörg Brombacher), gewinnt die überdrehte Verwechslungskomödie in der Doppelregie von Hannes Hametner und Guido Markowitz nur gemächlich an Fahrt. Obwohl die Tapetentüren eifrig für Auftritte und Abgänge genutzt werden.

Doch die handelnden Personen singen gut. Und die Badische Philharmonie Pforzheim leistet unter der Leitung von Kapellmeister Philipp Haag im Orchestergraben Bestes – setzt das zwischen Gassenhauer und Walzer-Kunstwerk changierende Stück vorwärtstreibend rasant in Szene. So verdichtet sich schon in diesem ersten Durchgang das beschwörend lockende Brief-Duett „O komm, o komm mein lieber Schatz“ mit Dirk Konnerth als Graf und Philipp Werner als buffonesk derbem Kammerdiener zu einem tenoral knalligen Höhepunkt.

Die stimmlich herausragende Stamatia Gerothanasi, die mal im spanisch angehauchten, blutroten Tanzkleid, mal im schnittigen Reiterkostüm auftritt, gibt die mehrfach betrogene Frau des Grafen, lässt vor ungläubigem Staunen über die Liebesaffären des Gatten immer wieder ihren Mund offen stehen und sorgt mit klangschön abgedunkeltem Mezzo-Timbre im Auftrittslied „Grüß dich Gott, mein liebes Nesterl“ für heimeliges Wohlbefinden. Und auch über Anna Gütters sanglich-geschäftige Bühnenpräsenz als Franzi, der ersten Geliebten des Grafen, kann man sich nicht beklagen. Allenfalls traurig stimmt die armselige Rolle Klaus Gebers, der ihren Vater spielt und ein bisschen singt.

Der zweite Akt bietet mit großen Ensembles ein völlig anderes Bild. In den opulent ausgestatteten Ballszenen auf der nach hinten weit geöffneten, mit Revue-Treppe versehenen Bühne – was historisch an das vergnüglich-gesellige Treiben auf dem Wiener Kongress erinnern mag – pulsiert der rote Saft voller Kraft zum Strauß-Walzer-Hit „An der schönen blauen Donau“. Klangsatt leuchtet der chorisch wuchtige Walzersang nicht nur im Akt-Finale (Chorleitung: Alexandros Diamantis). Drei Tanzpaare – die Damen in weißem Tüll, die Männer im Frack – brillieren mit eigenwilligen, oft belustigenden Bewegungsschlenkern und Arabesken zum Walzertakt. Eine goldbronzene, lebendig gewordene Johann Strauß-Skulptur durchwirbelt mit Geige und Bogen die Szene, prächtig rote Ballroben und schärpengeschmückte vornehme Herren all überall (Kostüme: Erika Landertinger).

Und mittendrin zelebriert die Gräfin mit glutvoller Stimme, später auch im Duett mit dem Grafen, den berühmten Operetten-Titelsong. Auch wird ein ziemlich obszöner Steckenpferd-Tanz mit transvestitischen Reitern zur allgemeinen Erheiterung dargeboten. Zudem erscheint der Duodez-Fürst, des Grafen Chef, den Paul Jadach als dümmlich-ahnungslosen Chargen vorstellt. Und natürlich die quietschfidele Näherin Pepi, Verlobte des Kammerdieners und durch Verwechslungszufall zweite Geliebte des Playboy-Grafen: Ines Vinkelau intoniert mit hinreißendem Soubretten-Charme „Draust in Hietzing gibt’s a Ramasuri“.

Dort gerät das „Wiener Blut“ im Schlussakt hitzig in Wallung. Denn beim Heurigenfest treffen alle Akteure in den Karussell-Separées eines Rotlicht-Etablissements zusammen, wo leicht bekleidete Mädchen beim Table-Dance an Stangen schlängeln und für schwüle Atmosphäre sorgen. Hier blühen Partnertausch und Eifersucht. Doch schlussendlich mündet der erotische Taumel in die Rückkehr der Traumtänzer zu den angestammten Beziehungskisten. Der Spaß ist aus, wird aber noch einmal in einer fulminanten Stretta vor geschlossenem Vorhang, auf dem zwischen gespreizten Damenbeinen das Motto „heat thing“ zu lesen ist, chorisch imposant verklärt.

Die Gemeinschaftsinszenierung des Pforzheimer Oberspielleiters Hannes Hametner und des Ballettdirektors Guido Markowitz ist eine gelungene Sache. Der eine war für die Pointierung des Wortwitzes und die scharfe Personenzeichnung zuständig, der andere für die Choreographie schillernder Tänze, die auch mit allerlei Gags ironische und groteske Situationen beschwören. So ist im Pforzheimer Theater beim Besuch der Operette „Wiener Blut“, für die Victor Léon und Leo Stein des Libretto geschrieben haben, kurzweilig-muntere Unterhaltung garantiert.