Mit reichlich Augenzwinkern (der Ball ist quasi statisch auf einen Stab montiert) werden verschiedenste Fanlager gleichzeitig bedient – z.B. FC-Bayern-Schal-tragende Männer oder Frauen in schicken Kleidern, fußballverrückte Mädchen oder ballettverliebte Jungs. Das Ambiente markieren zwei Holzbänke, rote Wimpel, einige wildwuchernde Büschel Gras und eine Spielfeldmarkierung, die alle drei Stücke verbindet. Sie ist mit Kreide verzerrt auf den Bühnenboden gemalt.
Zu einer expressiven Musikkollage aus Beiträgen von Jørgen Knudsen, der Flensburger Avantgardegruppe Flugschädel und drei Arientracks der Opernkomponisten Giordano, Catalani und Donizetti zelebriert Strømgen mit den einzigartigen Möglichkeiten des Bühnentanzes die Faszination des international populären Massensports und seinen mittlerweile auch erotisch aufgeladenen Starkult auf metaphorischer Ebene. Sportive Gruppenspielnummern vermischt er clever mit reinen Tanz-Passagen oder düster-thrilligen Momenten. Sein Spielführer sitzt im Rollstuhl, die größte Sorge des Schiedsrichters sind verrutschte Unterhosen. Dominiert wird die Choreografie von Männern und Frauen in veraltetem Sportlook, die mal von Selbstbespiegelung, mal vom aggressiven Ehrgeiz zu siegen erfüllt sind. Das und der eingesetzte Sound sorgen für Trainingshallen- bzw. Stadionatmosphäre. Gelungener Ausklang: die sich in stille Dunkelheit verflüchtigende finale Duschszene, in der die Nacktheit der Interpreten auch etwas von Verletzlichkeit offenbart.
Eben die hat Stuttgarts viel gefragter Hauschoreograf Marco Goecke in den Fokus seiner Kreation „Cry Boy“ (Musik: The Cure) gestellt. Auf das Kommando einer Trillerpfeife stürmt sein Einzelspieler Javier Ubell aufs leergeräumte Plateau. Zugleich impulsiv als auch höchst konzentriert erlaubt er in Goeckes typischer Handschrift den intimen Blick hinter die menschliche Fassade einer Identifikationsfigur, die ständig unter Leistungsdruck in Höchstform funktionieren muss. Fußball ist hier nur noch Idee für eine phänomenale Performance durch den Raum sirrender und flirrender Schrittvirtuosität. Der gesamte Körper des Tänzers wird in beredte Emotionalität versetzt. Selbst am Boden liegend gibt es keine Entspannung. Physische Herausforderung, die – Motto hin, Titel her – zehn Minuten lang dank Rhythmus und Geschwindigkeit fesselt.
Zurück zum Phänomen Mannschaftsport führt das halbstündige Sextet „Versus Standard“ des Italieners Jacopo Godani (Ex-Forsythe-Solist und ab nächster Saison Leiter von dessen Company in Frankfurt). Seine je drei Tänzerinnen und Tänzer reißen effektvoll die Arme wie Toreadores in die Luft. Dazu schlängeln sie ihre geschmeidigen Bodies wie knochenlose Aliens, die sich in Einheitstrikots schwungvoll den Spielraum erobern. Musikalisch treibt Originalmusik der Gruppe 48nord die permanenten Aufstellungswechsel und ihre flinke Beinarbeit an: purer Tanz – und eine dynamische Studie über Teamgeist und Mechanismen von Gruppendynamik und Formationsstrategien.