Online-Theater? Nach einem Jahr Pandemie schon fast normal. Nun schafft es das Staatstheater Nürnberg aber doch, es nochmal spannend zu machen. Schauspieldirektor Jan Philipp Gloger erfindet eine Theaterform, die es so noch nicht gab: „Macbeth – Ein Kurznachrichtentheater“ nennt er seine Premiere, der die Zuschauer*innen via Smartphone folgen. Theater to go. Um dabei zu sein, muss man sich für die Dauer der Aufführung die bei Verschwörungsgläubigen so beliebte Messenger-App Telegram downloaden. Weil man hier völlig anonym bleiben kann, versammeln sich hier Rechtsextreme, mobilisieren Coronaleugner und verbreiten Falschinformationen und Propaganda. Schon die Installation ist also mit einem zwiespältigen Gefühl verbunden. Das aber durchaus zum Thema Königsmord passt.
Am Premierenabend dann kommt die Einladung zur Macbeth-Gruppe. Um sichtbare Beitrittsmeldungen während der Vorstellung zu vermeiden (denn hier kann schließlich jeder kommen und gehen, wann er will), wird etwas verzögert begonnen. Das Gefühl beim Warten: spannend, irgendwie rebellisch. Die Verschwörer-App mittels Kunst zu kapern. Kurz drauf beginnt der Chat der Shakespeare-Figuren, Gloger bleibt erstaunlich nah am Original und übersetzt das über 400 Jahre alte Drama dennoch gekonnt und schlüssig ins 21. Jahrhundert. „Macbeth“, das ist ein Stück um Machtgier, Skrupellosigkeit, Putsch, Wahn und Aberglaube. Es ist genau das richtige Stück für dieses Experiment. Denn wo würde sich Macbeth heute herumtreiben, um seine Verschwörung voranzutreiben? Klar in den sozialen Medien.