Szene aus "Yazdgerds Tod" am Schauspiel Köln

Zeitlose Fragen, aber keine Antworten

Bahram Beyzaie: Yazdgerds Tod

Theater:Schauspiel Köln, Premiere:02.09.2023 (DSE)Regie:Mina SalehpourKomponist(in):Sandro Tajouri

Das Schauspiel Köln bringt die deutschsprachige Erstaufführung von „Yazdgerds Tod” auf die Bühne. Mina Salehpour inszeniert den Text von Bahram Beyzaie in einer multilingualen Fassung.

Bereits 1979 schreibt Bahram Beyzaie, der persische Shakespeare wie er im Iran genannt wird, das Stück „Yazdgerds Tod“. Es geht um Klassenunterschieden, um machthabende Regime und um Selbstbestimmung. Damals wie heute tobt neben dem Bühnengeschehen eine tatsächliche Revolution auf den iranischen Straßen. Damals wie heute sind Frauen zentrale Figuren. Auf Grundlage einer historischen Königsfigur, Yazgerd III. Aus 651 n. Chr., zeichnet Beyzaie das sich anbahnende Ende einer Epoche in der iranischen Geschichte.

Sechs Figuren betreten von beiden Seiten synchron die Bühne des Kölner Schauspiels während Mark Bérubé (Live-Musik) zu elektronischem Playback singt. Sie gehen direkt in den Halbkreis aus aufeinander gestapelten Ziegelsteinen und bleiben bis auf einen kurzen Abtritt die knapp anderthalb Stunden dort. Die eintönige aber eindrucksvolle Struktur bleibt den ganzen Abend über: musikalische Intermezzi und dazwischen Dialoge. Inhaltlich geht es um die Leiche in ihrer Mitte. Der Müller, seine Frau und die Tochter werden des Königsmordes beschuldigt. Der Tote wurde immerhin in ihrer Mühle gefunden. Ein General, ein Henker und ein Priester verhören sie abwechselnd. Je länger das dauert, desto verworrener werden die Unschuldsbekundungen. Die Familie bestreitet die Tat nämlich.

Eine Person mit Blumenjacke liegt auf der Bühne in einer Art Pfütze.

In dem Stück „Yazdgerds Tod“ soll es auch um starke Frauenfiguren gehen. Foto: Andreas Schlager

Theaterstück über starke Frauenfiguren

Je nach Zeitdimension, in der sich die Erzählungen befinden, wechselt das Licht (Jan Steinfatt). Mal ist es gelb, mal weiß, mal rot. Der Rest der Kölner Bühne (Afsoon Pajoufar) dagegen verändert sich wenig. Hauptmaterial sind die Ziegelsteine – sie werden gestapelt, aneinander geschabt, geschlagen und getreten. Die Farben der Kostüme (Maria Anderski) sind in ähnlichen, neutralen Tönen gehalten. Wie die Gewaltausübung des Regimes geregelt und ihre Rechtssprüche irreversibel sind, wirken Bühne und Kostüm insgesamt systematisiert und statisch.

Der Redeanteil von Mutter (Elmira Bahrami) und Tochter (Rebecca Lindauer) ist mit Abstand der geringste. Dabei soll es laut Textvorlage, Dramaturgie (Lea Goebel) und Regie (Mina Salehpour) doch um starke Frauenfiguren gehen? Tut es auch. Die Forderung von Respekt und Selbstbestimmung braucht nicht viele Worte. Es sind außerdem die beiden Frauen, die entscheidende Twists einleiten und die Frage stellen: Ist es überhaupt der König, der ermordet wurde? Oder lebt er noch, im Gewand des Müllers verkleidet? In fantastisch ausgekosteter Komik fangen der Henker, der Priester und der General verunsichert an, darüber nachzudenken, woran sie ihren Herren eigentlich erkennen könnten. Die Banalität und Willkür von extremen Macht(miss)verhältnissen kann klarer nicht werden.

Ein Mann zieht den Kopf eines anderen brutal nach hinten.

Die Inszenierung von Mina Salehpour in Köln thematisiert immer wieder Machtmissbrauch. Foto: Andreas Schlager

Vielsprachige Inszenierung in Köln

Die erste halbe Stunde ist alles auf Deutsch, dann mischt sich plötzlich Farsi unter. Später Englisch, Niederländisch, Koreanisch und Französisch. Die Klänge machen Spaß, obwohl ein bisschen Inhalt auf der Strecke bleibt, zu schnell laufen die Übersetzungen durch.

Entgegen der Erwartung kommt die Inszenierung am Schauspiel Köln ohne Bezüge zur aktuellen Lage im Iran aus. Lediglich das Programmheft strotzt vor Äußerungen zur Gegenwart und im Publikum scheint der Gedanke „Women, Life, Freedom“ präsent. Mina Salehpour und Ensemble liefern zeitlose Fragen, aber noch keine Antworten darauf, was auf die Revolution folgen könnte. Sondern eine kluge Analyse, was passiert, wenn extreme Machtmissverhältnisse und Klassenunterschiede bestehen.

Hinweise darauf, wie gewalttätige Regimes haltlos urteilen, aber vor allem auch wie fragil sie werden können, wenn mit Durchhaltevermögen an ihnen geschabt, gerüttelt und geschlagen wird. Es wird klar: Die Dringlichkeit und Relevanz der übergeordneten Themen sind leider (immer noch) groß.