Szene aus "Fatinitza" am Staatstheater Mainz: Hans-Otto Weiß, Vida Mikneviciute, Patricia Roach, Throsten Büttner.

Knallchargen

Franz von Suppé: Fatinitza

Theater:Staatstheater Mainz, Premiere:02.11.2012Regie:Lydia SteierMusikalische Leitung:Florian Czismadia

Lydia Steier inszeniert am Staatstheater Mainz Franz von Suppés „Fatinitza“: eine einst vielgespielte, heute fast vergessene komische Oper in drei Akten mit spritziger Musik; eine Regisseurin, die nun wirklich das Zeug zum pointierten Zugriff hat und mit ihrer Oldenburger „Saul“-Inszenierung gerade für den Deutschen Theaterpreis _DER FAUST_ nominiert wurde; und ein Opernhaus, das ein tolles Ensemble sein eigen nennt und unter der Direktorin Tatjana Gürbaca in der vergangenen Saison einen beachtlichen Aufschwung erlebt hat. Das könnte doch auf originelle Weise spannend werden, denkt man da. Und dann trottet man ziemlich bedröppelt aus der Vorstellung und fragt sich, wie denn _das_ passieren konnte: ein Abend, der seine eigenen Ambitionen an einen grobschlächtig kalauernden Humor verrät und sich fade hinzieht, trotz ansprechender musikalischer Leistungen.

Dabei war die Ambition ja unverkennbar: Lydia Steier wollte die ethnischen Klischees ausstellen, die die beiden Kriegsparteien einander entfremden; wollte zeigen, wie die Medien und ihre _embedded journalists_ den Krieg inszenieren helfen; wollte mit der doppelten Geschlechts-Travestie um Wladimir/Fatinitza ein Lehrstück über gefakte Wirklichkeiten erzählen; wollte also in der Künstlichkeit der Operette die Virtualität von Realitätsbildern spiegeln. Nichts davon ist ihr gelungen. Denn dazu hätte sie den biederen Klamauk, den von Suppés Librettisten Friedrich Zell und Richard Genée hier ausbreiten, konsequent überformen müssen. Sie hat diesen Klamauk aber nur neu kostümiert. In der trostlos heruntergekommen Wellblech-Behausung des russsischen Vorpostens oder dem talmigoldenen Türkenpalast, den Katharina Schlipf ihr auf die Bühne gebaut hat, in den verschmuddelt derangierten Uniformen und dem Karnevals-Orientalismus, den Ursula Kudrna den Akteuren verpasst hat, sieht alles eben nur ein bisschen trashiger aus als sonst in der Operette. Und die Textfassung von Lydia Steier, Felix Seyfarth und Carsten Jenß ersetzt die alten Operettenkalauer durch neue Stammtischkalauer – aber es bleiben Kalauer. Wirkliche Schärfe, Brillanz, Irrwitz, Esprit: Fehlanzeige.

Deshalb lohnt es auch nicht, hier die arg verschwurbelte und verschlungene Handlung nachzuerzählen, die sich – in einem der vielen Kriege, die das russische Zarenreich und das türkische Osmanenreich einander geliefert haben – um den russischen Leutnant Wladimir dreht, der eine gewisse Neigung dazu hat, seiner jeweiligen Geliebten als Frau verkleidet, eben als „Fatinitza“, nachzustellen. Dass dieser Wladimir eine Hosenrolle für eine Mezzosopranistin ist, ergibt dann jenen schon von Mozarts Cherubino im „Figaro“ bekannten doppelten Geschlechtertausch, der in Mainz auch tatsächlich einmal zitiert wird, und den Richard Strauss dann 35 Jahre nach der „Fatinitza“-Uraufführung im „Rosenkavalier“ so viel geistreicher parodieren sollte. Doch in Lydia Steiers Inszenierung bleiben all die pittoresken und tolldreisten Figuren, die da aufgeboten werden, nur trostlose Knallchargen, die einen keine fünf Minuten lang interessieren. Man hat den Eindruck, dass die Inszenierung an den Klischees, die sie ausstellen will, heillos kleben bleibt.

Dadurch war auch die an sich erfreuliche musikalische Seite der Sache getrübt. Florian Czismadia, der offenbar auch einige Nummern neu arrangiert hat, dirigiert mit Esprit und Sinn für Schmäh und Schmelz, Vida Mikneviciute ist eine hell perlende Lydia, Patricia Roach gibt Wladimir/Fatinitza einen vollklingenden Mezzo mit ins Bühnenleben, Thorsten Büttner ist ein agiler Kriegsreporter mit schlankem, kräftigem Tenor, Hans-Otto Weiß ein sonorer General, Alexander Spemann legt den Izzet Pascha als rheinischen Provinzdeppen auf die Bretter. Es hätte ein musikalisches Feuerwerk werden können. Aber leider hat die Regie die Lunte ins Wasser gelegt.