Nach fast vier Jahren neigt sich die Interimszeit der Kölner Oper dem Ende zu. Im November soll das alte Haus im neuen Prachtgewand mit Berlioz‘ „Benvenuto Cellini“ glanzvoll wiedereröffnet werden. Mit der letzten Interims-Premiere kehrte man nun bereits ins Heimatviertel zurück, liegt das Kolumba-Museum doch gerade mal einen Steinwurf vom Offenbachplatz entfernt. Die Kombination der selten aufgeführten Stücke lässt sich als Paraphrase des Kölner Opernschicksals der vergangenen Jahre lesen. In Janaceks eigentlich nicht für die Bühne gedachtem Liederzyklus geht es um einen jungen Mann, den die Liebe zu einer Zigeunerin derart überwältigt und überfordert, dass er mit ihr seine Heimat verlässt, während Savitri in Holst gleichnamiger, auf einer Episode des indischen Mahabharata-Epos basierender Kammeroper vom Tod die Rückkehr ihres Mannes ins Leben erzwingt.
Die junge Regisseurin Béatrice Lachaussée bedient diesen Bezug in keiner Weise. Sie konzentriert sich darauf, die Sänger in den außergewöhnlichen Spielräumen zu verankern. Das „Tagebuch eines Verschollenen“ ereignet sich auf den Resten einer karolingischen Basilika im Untergeschoss des erzbischöflichen Kunst-Museums. Die Zuschauer stehen auf dem die Ausgrabung begehbar machenden Steg. Ein mit Vorhängen bespanntes Gestell im Hintergrund ist der Raum der angebeteten Seffka. Adriana Bastidas-Gamboa ist meistens nur als Schattenriss präsent. So dominiert die Musik. John Heuzenroeders prägnanter, entschlossener, gelegentlich auch bewusst den Ohren schmeichelnder Tenor-Ton behauptet sich in der halligen, von Straßenlärm durchzogenen Akustik des archäologischen Raumes, die genau den unerträglich gewordenen Alltag entstehen lässt, dem der ständig Steine von hier nach dort tragende Protagonist zwingend entkommen muss.