Schon Wolf stellt die Rolle der Frau in den Vordergrund, Regisseurin Kokotovic bedient sich bei der berühmten Erzählung als Spielmaterial. Das Besondere dabei: den drei Spielern vom Pfalztheater werden zwei Tänzer zur Seite gestellt. Denn Kokotovic und ihr koproduzierendes TKO Theater Köln arbeiten mit choreographischen Elementen. Kassandra und Aieneias werden gedoppelt, also gespielt und getanzt, alle weiteren benötigten Figuren wie Hekabe, Penthesilea, Klytaimnestra und die hinzugefügte Kommentatorin spielt sehr klar und präzise Susanne Ruppik, die so Orientierung im Faktendickicht liefert. In alle Männerrollen, Griechen wie Troer, schlüpft Jan Henning Kraus. Die Frau als Beute, als Unterpfand einer männlichen Politik wird drastisch vor Augen geführt: zu harten Musikbeats wird Kassandra missbraucht und immer wieder vergewaltigt. Das ist vehement und von eindringlicher Direktheit, über die Dauer des Abends erschöpft es sich und bleibt letztlich auch sehr fasslich. Der von Wolf angeschlagene nuancenreiche hohe Ton der Vorlage geht dabei verloren.
Stück und Text sind voll von brutalen Szenen, zum gruseligen Danse Macabre wird Achills Vergewaltigung der von ihm getöteten Penthesilea (Susanne Ruppik in Military-Hose und Stiefeln). Kassandra nennt den Griechenheld nur noch „Achill das Vieh“. Einzig Aineias sieht die Frau nicht als Objekt, über das nach Belieben verfügt werden kann. Glück und Leidenschaft werden hier von Katharina Horn und Benjamin Block getanzt.
Kassandras Geschichte nimmt bekanntlich kein gutes Ende, in Kaiserslautern ist sie der Auftakt zum spartenübergreifenden Antikenprojekt dieser Spielzeit: Es folgen noch die „Orestie“ des Aischylos und Glucks Oper „Iphigenie in Aulis“. Passend zum Spielzeitmotto „…und, was glauben Sie?“.