Foto: Live aus Basel ins Theater. © Lucia Hunziker
Text:Tobias Gerosa, am 8. Juni 2025
Am Theater Basel schickt Sebastian Nübling sein jugendliches Ensemble auf eine Tour durch Basel und überträgt sie live ins Schauspielhaus. Welche Möglichkeiten bietet eine reiche, saturierte Stadt jungen Leuten heute? Sechs Clowns, sechs Typen, sechs Ideen und sechs (lange) Wege – und nicht der Hauch eines Auswegs.
Muss man vielleicht Teil der Generation Anfang 20 sein, um die „Ode an die gewaltbereite Jugend“ am Theater Basel richtig verstehen zu können? Das Publikum sitzt im Schauspielhaus, das zum Kino umgestaltet wurde. Erst zum Schlussapplaus stehen Menschen vor dem Publikum, die sechs von ihrem fast zweistündigen Lauf durch die Stadt schwer atmenden Darsteller.
Der in vier Kapitel unterteilte Abend startet in einer Unterführung ironisch. „So schön“ ist hier alles. „So schön!“ der Grasstreifen voller Hundekacke, „so schön“ die wunderbar ebene Straße, „so schön!“ die Fußgängerampel. Die Darsteller filmen sich mit ihren Smartphones selber und beginnen ihre Tour durch die Stadt. Erst als wilde Gruppe. Als sich trennen, schälen sich unterschiedliche soziokulturelle Untergruppen heraus. Die Clownsmaskierung dient dabei nur der Verfremdung – nicht zum ersten Mal bei Regisseur Sebastian Nübling.
Sixpack to go
Da sind eine Politaktivistin (Julie Ilunga) und ein Parkour-Athlet (Lukas Stäuble). Als Figuren spürbarer werden die Musikliebhaberin, die ihre H&M-Outfits immer dem Musikstil des aktuellen Crunchs anpasst und der Alternative (Julian Anatol Schneider). Er kämpft gegen die Gentrifizierung, die dazu führt, dass es kein Dosenbier für drei Franken mehr gibt. Außerdem bleiben die gleichsam lyrischer angelegten Frauenfiguren von Marie Löcker, Ann Meyer und Antoinette Löcker im Kopf. Sie verkörpern resignative Lebensgefühle und spielen mit dem Gedanken, sich schon mal ins Grab zu legen.

Alle Darstellenden auf einer Leinwand. Foto: Lucia Hunziker
Die sechs Figuren sind immer parallel präsent: Sechs Leinwand-Spalten mit ihren Live-Handy-Bildern. Wie diese gemeinsam gehen oder stehen, schreitende Turnschuhe oder Himmel filmen, ruhig oder hypernervös filmen, ist exakt koordiniert. Ideen, wie die Kameras so nebeneinander zu stellen, dass ein Panorambild mit menschenverschluckenden Lücken entsteht, wirken unmittelbar. So steigert sich die Energie nach dem ironischen ersten Kapitel im zweiten und dritten, bevor in Vier unerwartet ganz ruhige Schwarz-Weiß-Bilder folgen.
Verschenktes Potential
Technisch ist das interessant. Inhaltlich ist’s schwieriger, weil kaum ausgeführt. Die stummen, von wummernden Beats (Jackie Poloni) unterlegten Gänge durch die Stadt sind sehr lang. Der lokale Bezug, nutzt sich rasch ab. Ebenso die Irritation durch die Clowns (Kostüme: Ursula Leuenberger), welche die realen Zaungäste in der Stadt erschrecken (am lustigsten das Hündchen, das gleich in den Angriffsmodus schaltet).
Die Texte, verfasst vom Ensemble, öffnen interessante Felder, wirken aber wie einsame, verstreute Inseln: Die Untergrundpartys oder die Frage der allgegenwärtigen Überwachung und Kommerzialisierung werden angeschnitten und gleich von einem nächsten Ortswechsel abgelöst. Nicht nur vergibt Nübling so den USP des Theaters, das Live-Erlebnis, er überdehnt den Abend auch. Und die Auflösung der Theaterregeln – man darf Getränke in den Saal nehmen, frei raus und rein während der Film läuft – wird wenigstens bei der Premiere fast gar nicht genutzt.
Wenn sich die sechs im letzten Teil auf einem Kiesfeld wieder treffen und dann mit Steinen bewaffnet in ein Auto steigen, ist klar, dass sie jetzt ins Theater fahren. Überraschend halten sie aber vor dem Rathaus. Sie da die Steine werfen zu lassen, wäre ein starker Schluss geworden. Doch die Rebellion wird nur angedeutet, es folgt noch ein live gefilmter Gang ins Schauspielhaus, nur um hier den Applaus abzuholen. „Elegieskizze auf die resignierte Jugend“ wäre der passendere, ehrlichere Titel.