Foto: "Gomorrha" in Konstanz © Bjørn Jansen
Text:Manfred Jahnke, am 13. April 2017
Adam Nalepa inszeniert „Gomorrha“ am Theater Konstanz.
Mit seinen Recherchen zu den Machenschaften der neapolitanischen Camorra – „Gomorrha“ – landete Roberto Saviano 2006 einen weltweiten Bestseller, der inzwischen zwei Mal verfilmt und 2007 auch in Neapel für das Theater bearbeitet wurde. Erstaunlich, dass erst jetzt, zehn Jahre später, diese Fassung in Deutschland erstaufgeführt wurde, und noch erstaunlicher, dass dies an einem Kinder- und Jugendtheater, dem Jungen Theater Konstanz, geschieht. Wenn „Gomorrha“ die internationale Verflechtung bei der Giftmüllbeseitigung oder die illegale Arbeit von chinesischen Schneidern in Neapel aufzeigt und die Gewalttätigkeit – „4000 Morde in 30 Jahren“ – beschreibt, so spiegelt sich in dieser Gewalt auch das soziale Elend junger Menschen, die keine Arbeit finden und dennoch vom Reichtum und sozialer Anerkennung träumen. Im Mittelpunkt steht deshalb Kit Kat, den Julian Jäckel sehr jungenhaft mit großer Intensität spielt. Dieser möchte wie die großen Bosse werden und macht sich auf den Weg, der aber nicht zur ersehnten Karriere führt, sondern Kit Kat wird nur benutzt, als Drogenkurier oder Bote.
In der Inszenierung von Adam Nalepa wird Kit Kat zur zentralen Rolle, weil die Rolle des Roberto – das Alter Ego des Autors Saviano – gestrichen ist. Im Textbuch ist er der distanzierte Beobachter, der sozusagen von außen das Handeln der Camorra aufzeigt. In Konstanz aber wird die Aktion aus der Binnenperspektive von Kit Kat entwickelt. Aber, weil sich die großen Themen wie internationale Verflechtung, etc. nicht in dieser Binnenperspektive behandeln lassen, fügt Nalepa andererseits aus dem Roman kommentierende Passagen ein, die nicht nur Fakten über die internationalen Beziehungen erzählen, sondern auch moralisch appellierend u.a. auf die Beteiligung deutscher Firmen an der illegalen Müllentsorgung in Kampanien verweisen. Dennoch bleibt die Inszenierung seltsam unentschieden, bleibt ihre Haltung inkonsequent. Da ist auf dem Aufführungsflyer die Theaterpädagogik deutlicher, die als zu behandelnde Themen für Lehrer „Mafia, Jugendkriminalität, Gewalt, Drogenmissbrauch, Wirtschaft- und Umweltverbrechen, Schwarzarbeit“ benennt.
Diese Inkonsequenz ist insofern bedauerlich, weil durch alle „Mafia“-Klischees hindurch das Ensemble beachtliche schauspielerische Qualitäten beweist. Neben Julian Jäckel sind das Ingo Biermann als der Schneider Pasquale und Jörg Dathe als der smarte Franco, der, indem er giftigen Müll illegal entsorgt, sich für einen Architekten der EU hält. Julian Härtner und Tomasz Robak ergänzen dieses Ensemble. In ihrem Bühnenbild nutzt Anke Niehammer den Grundraum der Spiegelhalle mit der Backsteinarchitektur. Sie setzt neben dem Lesepult nur zwei Stangengerüste auf die Bühne, die multifunktional benutzt werden können. Dazu ein blaues Fass, zwei rote Plastikstühle, ein Autorreifen. Die Schauspieler, die in einer Szene nicht agieren, bleiben im Hintergrund sitzen. Nalepa entwickelt dazu eine Beleuchtungsregie, die den Zuschauerraum mit einbezieht, sowie symbolische Bedeutung beansprucht, wie ein auf den Bühnenboden ausgeleuchtetes Kreuz.