Regisseurin Katharina Thoma hat sich dafür von Ausstatterin Julia Müer eine an die Bilder Vilhelm Hammershøis erinnernde Wohnhalle aus bleichem Holz und Glas bauen lassen. Eine enge Wendeltreppe führt wie die verstiegenen Gefühle nach oben – und statt der rechten Wandseite wächst das Eis des nordischen Winters herein. In das von den emotionalen Gespenstern Ibsens und Strindbergs durchzogene Kammerspiel führte Thomas bestechende Personenregie auch surreale Züge ein: Ein zweiter Anatol erscheint als Sehnsuchtsobjekt mehrfach im Eis; Erikas „Schande“ macht der aus dem Eis hereinglotzende Dorfchor deutlich; Vanessas Liebesschwenk lässt ihre bislang umgedrehten Porträts auf Erika herabstürzen; Erikas Rettung durch Anatol wird parallel zu seinem Bericht nicht verdoppelt, denn dort draußen stößt er Erikas ins tödlich kalte Eiswasser. Im Hauptraum führte Thoma die fünf Hauptfiguren zu einer nuancierten Expressivität, die fesselte: Vanessas Aufblühen verkörperte Charlotta Larsson glamourös; mit Anatols kurzem Schwanken wie seinem dann egoistischen Elan vital bestach Kurt Streit; dazwischen der bemühte Hausarzt als gewollt „schlichte“ Charakterstudie von Dietrich Volle; all das beobachtete Helena Döses fast stumme Baronesse wie ein dunkles Mahnmal – vor allem das jungmädchenhafte Blühen und dann das wirklich sichtbare „Früh-Altern“ Erikas der mit ihrem Schicksal das Publikum überwältigenden Jenny Carlstedt. Sie alle sangen – und der Gesang vertiefte das Miterleben, weil Barber emotionsgenau komponiert hat: vom feinsinnigen Lied über den Bauerntanz zum emotionalen Schwelgen wie zum herzzerreißend grellen Ausbruch… alles sofort wirkend, ohne Studium der „Frankfurter Schule“. Dirigent Jonathan Darlington breitete all dies mit dem differenziert und dann auch opulent aufspielenden Frankfurter Orchester aus – alles wuchs zusammen zur Entdeckung, dass Samuel Barbers „Vanessa“ zu Unrecht im Spielplanschatten steht.