Kiyaks Notizen sind brisant, die Dialoge des Autorenduos prägnant – doch die Mischung aus Fiktion und Dokumentation will nicht aufgehen. Die Figuren wirken wie Thesenträger, die Handlungsstränge unverbunden. Andreas’ finaler Amoklauf gegen die Nazi-Bande bleibt ein Rätsel. Noch rätselhafter, warum Lukas Langhoff den Text entpolitisiert und um jede Ernsthaftigkeit bringt. Die Bühne ist ein einziger Wink mit dem Zaunpfahl: Zentimeterhoch steht hier der braune Sumpf, so glitschig, dass die fünf Schauspieler kaum einen Schritt wagen und die meiste Zeit an einem halbrunden Tisch sitzen. Zu simpel die Figurenzeichnung: Der Nazi-Kumpel trägt Hitlerbärtchen, sächselt heftig, ist schwer begriffsstutzig. So dementiert Langhoff den Text geradezu – denn dort siedelt das rechte Gedankengut eben nicht an den Rändern der Gesellschaft, sondern mitten unter und in uns. Sebastian Brandes muss als Nazi-Basti eine Zote nach der anderen reißen – und das Kreuzberger Publikum lacht sich kaputt über so viel Blödheit. Ja, wenn es so einfach wäre!
Gravierend auch Langhoffs Texteingriffe: Nur einzelne Szenen greift er heraus und bläst sie mit Witzchen auf, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Müßig, der Handlung folgen zu wollen. Am Ende noch ein Kunstgriff, der völlig fehlschlägt: Die Schauspieler verlassen abrupt ihre Rollen und kommentieren das Spiel, mit hoch erhobenem Zeigefinger. „Es geht hier nicht um Herkunft, sondern um Haltung“, wird da allen Ernstes gepredigt. Trotz aller Späßchen: ein Trauerspiel. Mehr Glück hatte Marianna Salzmann kürzlich am Deutschen Theater; dort inszenierte die junge Regisseurin Brit Bartkowiak ihr Stück „Muttersprache Mameloschn“ ganz ohne solche Albernheiten, ohne auftrumpfende Regiehandschrift – mit klugem Respekt.