Regina Vogel, Rudy Orlovius und Jan-Arne Looss

Höhlenkinder

Laura Naumann: Zwischen den Dingen sind wir sicher

Theater:Landestheater Schwaben, Premiere:01.10.2016 (UA)Regie:Oliver D. Endreß

Die Szenerie von Ulrich Leitner ist gigantisch, ein höhlenartiger Raum mit vielem Kram und Nischen, die dem Ensemble akrobatische Fähigkeiten abverlangen. Ein urgemütlicher Raum, der ein wenig an die Höhlen im Mutterbauch oder aber auch an ein Puzzle erinnert. Hier leben zwei Brüder und ihre Schwester, alle drei traumatisiert von dem, was sie als Kinder erlebten. Denn im Draußen, das nur durch eine Luke nach oben zu erklimmen ist, herrscht seit Jahren Krieg und Zerstörung. In „Zwischen den Dingen sind wir sicher“ der jungen Autorin Laura Naumann, von Oliver D. Endreß zum Startwochenende der neuen Intendanz von Kathrin Mädler am Landestheater Memmingen im Studio uraufgeführt, wird eine apokalyptische Situation vorgeführt, die von fern an Becketts „Endspiel“ erinnert. Aber Naumann ist in der Beschreibung der Situationen konkreter, wenn sie vermittelt über die Berichte der Brüder Bandito und Techno Szenerien beschreibt, die an Aleppo und viele andere Orte auf dieser Welt erinnert, in der die Frontlinien in den Bürgerkriegen nicht mehr auseinander zu halten sind. Aber noch mehr entwickelt die Autorin ein dynamisches Psychodrama, in dem sich Alicja in der Begegnung mit Rascasse, die zu den „Feinden“ gehört, die die menschenleere Umwelt zu kontrollieren versucht, von ihrem Trauma zu befreien versucht. Daneben entwickelt Oliver D. Endreß noch einen andere Geschichte, die zwar bei Naumann angelegt ist, aber nicht diese Bedeutung erhält: die Radikalisierung von Techno, der, nachdem er die Tötung seiner Mutter als Kind erleben musste und dies total verdrängte, mit dem Erwachsenwerden, signalisiert durch den Ritterschlag seines Bruders Bandito, der ihm die Pistole seines Vaters überreicht, zum Terroristen. Er sprengt das Lager, in der die Gruppe von Rascasse lebt: einer, der sich radikalisiert, um sich in seinem Selbstwert beweisen zu können. Rudy Orlovius spielt diesen Prozess vom von seinen Geschwistern behüteten Jungen, der sich, sobald an die Vergangenheit erinnert wird, sich in die Welt seiner Kindermärchen flüchtet, hin zum verhärteten Erwachsenen mit genauen Gesten aus.  

Im Zentrum aber steht die Geschichte von Alicja, die sich in ihrer Höllen-Höhle eingeschlossen hat. Ein erstes Mal wagt sie sich nun hinaus in die Welt und begegnet nun Rascasse, die Ulrich Leitner in eine strenge Uniform gesteckt hat und von deren Geschichte wenig zu erfahren ist. Claudia Frost führt eine sehr disziplinierte Frau vor, die gleichzeitig von einer Sehnsucht gekennzeichnet ist, die sie entweder nicht kennt oder nicht zugeben kann. Regina Vogel als Alicja, mit blonder Perücke und in Leopardenmusterkleid, muss gegen das Blondenklischee des Outfits anspielen. Eigentlich eingekapselt introvertiert in ihrer Welt, in der sie sich gegen ihre Brüder ständig zu positionieren gezwungen ist, findet Regina Vogel stimmige leise Gesten.  Gegen dieses Frauen-Duo hat es Jan Arne Loos als Bandito schwer, sich zu behaupten.

Oliver D. Endreß erzählt in seiner Inszenierung mit hohem Tempo dieses Psychodrama, nutzt dabei geschickt die Möglichkeiten des Bühnenbildes, nur manchmal trägt er mit symbolischen Bildern zu dick auf. Dass z.B. Rudy Orlovius als Techno als Zeichen seiner Radikalisierung, ein Skelettkostüm und einen Totenkopf tragen muss, erinnert mehr an Halloween, als dass es dem Inhalt nutzen würde. Im Ganzen aber ist eine eindringliche Inszenierung entstanden. Ein erfolgreicher Start für die Intendanz von Kathrin Mädler.