Nein, leicht zu inszenieren sind Berlioz‘ „Troyens“ wirklich nicht. Wie bewegt man die Chormassen? Wie überführt man die Statik, die durch die Dramaturgie der in Reihe gestalteten Teableaus vorgegeben wird, in theatrale Vorgänge? Und wie findet man Entsprechungen für die großen, von der Theatermaschinerie des 19. Jahrhunderts aus gedachten, spektakulären Bilder – das trojanische Pferd, den Kollektivselbstmord der Trojanerinnen oder die mythologisch aufgeladene Sturmpantomime?
Großartiges Ensemble
Zunächst einmal wird an der Bayerischen Staatsoper großartig musiziert. Daniele Rustioni strukturiert mit dem Bayerischen Staatsorchester Berlioz‘ so einzigartige wie eigenwillige Klangzaubereien und kostet sie voll aus. Im Laufe des Abends geht nur ein wenig die Transparenz verloren, hört sich das Blech zunehmend gepanzert an, gehen die dynamischen Regler immer häufiger nach oben – bei gleichzeitig sehr maßvollen Tempi. Der Chor singt klangschön, auch wenn sein Französisch nicht immer zu verstehen ist. Dazu hat die Staatsoper ein fantastisches Ensemble zusammengestellt, das sich den immensen gesanglichen Herausforderungen mehr als gewachsen zeigt. Wie Marie-Nicole Lemieux (Cassandre) und Stéphane Degout (Chorébe) ihre Stimmen führen, sie stets im Fluss halten, Farben subtil abschattieren, die Stimme mühelos lyrisch zurücknehmen oder dramatisch explodieren lassen, muss man gehört haben. Das entspannte und doch durchschlagskräftige Singen des 68-jährigen Gregory Kunde als Enée fasziniert auf selbem Niveau, zumal er die große Arie im letzten Akt hinreißend bewältgt, mit voll intakter großer Tenor-Höhe und kämpferisch auf Linie gehaltener Mittellage. Ekaterina Semenchuk beginnt als Didon mit etwas zu viel Vibrato, beeindruckt aber mit großer Piano-Kultur, der das offene Bühnenbild nicht freundlich gegenübersteht. Alle Figuren sind rollendeckend besetzt. Einigen gelingen mit Mitteln des musikalischen Ausdrucks und der persönlichen Ausstrahlung wunderbare Charakterminiaturen. Hier sind in erster Linie Jonas Hacker (Hylas) und Eve-Maud Hubeaux als überraschend androgyner Ascagne zu nennen.