Etikettenschwindel ist es jedenfalls nicht, was die Oper Halle hier macht. Denn das absichernde „nach“ steht ausdrücklich oben drüber. „L’Africaine“ nach Giacomo Meyerbeer. Der 1865 posthum uraufgeführte, eigentlich vierstündige Blockbuster (der in einer der Fassungen auch „Vasco da Gama“ heißt) ist ein Filetstück des heute etwas weggedämmerten Grande-opéra-Kanons. Dieses so opulente wie innovative Genre dominierte im 19. Jahrhundert für einige Zeit die Opernwelt. Vor allem von Paris aus, wo man sie erst jetzt (vor kurzem mit Meyerbeers „Hugenotten“ und demnächst mit Berlioz’ „Trojaner“) für sich wiederentdeckt.
In Halle ist es eher eine Befragung, die nur von Ferne mit der konventionellen Opernopulenz zu tun hat, für die der Name Meyerbeer (1791-1864) steht. Ein Projekt, das eine Afrikanisierung – soll heißen Entkolonialisierung – dieser Oper versucht. Auch Sebastian Hannaks Raumbühne Babylon dämpft jede Erwartung an konventionelle Opernopulenz. Michael Wendeberg leitet die Staatskapelle Halle. Wie schon beim ersten Teil des Projektes stehen Matthias Koziorowski (Vasco da Gama), Ludmilla Lokaichuk (Inès), Robert Sellier (Don Alvar) auf der Seite der portugiesischen Welteroberer. Romelia Lichtenstein (Sélica) und Gerd Vogel (Nélesco) auf der der Eroberten. Mit einer Handvoll verbliebener Musiknummern erinnern sie an die erstaunlich hellsichtig konfrontative Konstellation in Euène Scibes Libretto, in der Michael Zehe als Großinquisitor und Brahmane hier wie dort religiöses Öl ins ideologisch flackernde Freund-Feind-Feuer gießt.