Guth macht aus der Geschichte den möglicherweise heilenden, von Alpträumen geschüttelten Schlaf einer vom Druck ihrer Kinderlosigkeit erkrankten Frau. Seine Therapie aber ist nicht die Flucht ins patriarchalische Rollenverständnis einer selbst gemachten Großfamilie, sondern ein Zu-sich-Kommen als Mensch unter Menschen. Rechtzeitig, wenn man schon befürchten muss, dass überm Schlussbild der frohgemut auf dem Fluss des Lebens dahin rudernden, potenziellen Großfamilien der zwei Paare segnend der Papst erscheint oder das Mutterkreuz aufleuchtet, schaltet Guth zurück ins klinisch analytische Ambiente. Zu den letzten Tönen platziert er seine Patientin ans Fenster in dem geschwungenen, mit dunklem Holz furnierten Raum. Hier hat Bühnenbildner Christian Schmidt Türen für Auf- und Abtritte eingebaut, durch die immer wieder die übermächtige Vatergestalt mit gehörnter Maske bedrohlich fordernd auftaucht, durch die aber auch, nach einem Akt der Emanzipation, die verstoßene Amme in ihrem Kahn verschwindet. Und durch die die Kaiserin zu ihrem menschlichen Alter Ego, der Färbersfrau, wie zu einem verborgenen Teil in sich selbst vordringt. Im Zentrum hat diese Rückwand eine Art Riesendrehtür, mit der das Interieur des Unterbewussten herbeigerufen wird, das der Frau (und uns) zu schaffen macht. Von den bedrohlichen Felsklüften für den kaiserlichen Jäger-Gatten bis zum Verhandlungssaal, in dem eine amtliche Instanz über die Kinderlosigkeit und Gattentreue Gültiges verlautbart.
Am Ende, wenn die Patientin ihr Krankenlager verlassen hat, ist das ganze in den großen Traum hineingedeutete Personal, samt der menschelnden Alter Egos und fantastisch verdrängenden Tiergestalten verschwunden. Wie gefährdet diese Genesung durch Selbstbestimmung ist, das kann man auf dem Gesicht jener zurückbleibenden Krankenschwester ablesen, die der Amme verteufelt ähnlich sieht…. Claus Guth ist eine präzise, geradezu klinische Versachlichung gelungen, und das mit surreal opulenten Bildern!
Marc Albrecht konnte am Pult des exzellent auf deutschen Abwegen wandelnden Scala-Orchesters bei der durchweg aufgebotenen vokalen Stimmkraft ohne falsche Rücksicht seinem Stern folgen. So bezwangen Dirigent und Orchester zielsicher und doch mit Leidenschaft, zwischen transparenter Klarheit und aufscheinender Opulenz dieses Klanggebirge.