Mit Buzzern und Punkteröhren, Glücksrad und Leinwand mit Ratekategorien sieht der Bühnenraum wie ein Quizstudio aus. Und er funktioniert auch so. Denn „All Gender*splaining“ vom leipziger Theater der Jungen Welt (TdJW) ist kein Theaterstück zum Schauen, sondern eine Mitmachperformance. Die Moderierenden, Vero und Patrick, teilen die Teams nach willkürlichen Merkmalen wie Sehkraft und Freizeitvorlieben auf. Um mit ihnen dann auf die Spur nach der recht beliebigen Einteilung von Sex und Gender zu gehen.
Auch als mobiles Stück im Klassenzimmer
In verschiedenen Spielen wird die Regenbogenfahne nach der Bedeutung ihrer Farben nachgebaut. Die Teilnehmenden tauchen sich über gesellschaftliche Rollen aus, die ihnen zugeschrieben werden oder die sie gern selbst einnehmen. Wann Gender reveal partys populär wurden, wird erklärt – und warum so eine Fixierung auf die Geschlechtsteile von Babys problematisch ist. Gemeinsam wundert man sich, wieso bei einer Straßenumfrage Männer als „stark“ beschrieben werden, Frauen als „schön“, Menschen aber als „vielfältig“. Das ist informativ und locker genug gestaltet, damit es nicht zu pädagogisch oder überfrachtet wirkt.
Selbstverständlich sind die von sechs Autor:innen entworfenen 90 Minuten kein dramaturgischer Kunstgriff. Die Show lebt vom Showcharakter, weshalb sich die Moderierenden mit Verve hineinwerfen, um Stimmung und Spannung zu halten. Ob das gelingt, variiert gewiss mit dem Publikum. Dass „All Gender*splaining“ auch als mobiles Stück zu Zuschauenden ab 14 Jahren – zum Beispiel ins Klassenzimmer – kommt, erleichtert und entspannt die Inszenierungssituation. Ohnehin betonen die beiden Moderierenden immer wieder, dass niemand zu irgendwelchen Bekenntnissen über seine oder ihre Geschlechtsidentität oder Liebesweise gezwungen werden darf. Selbstbestimmuung bedeute eben vor allem, auch nein sagen zu können.
Der spielerische Ansatz, das vermeintlich komplizierte und delikate Thema auf quietschbunte Momente herunterzubrechen, überzeugt. Dass es solcherart Aufklärung braucht, verdeutlicht eine Sitzung des Leipziger Stadtrats. Dort forderte vor einigen Monaten die CDU-Fraktion, dem Kinder- und Jugendtheater Stellen zu streichen – weil in einer Produktion gegendert wurde (Artikel der Leipziger Zeitung). Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Gender sei dank.
Hier finden Sie das komplette Sonderheft DIE QUEERE BÜHNE.