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Geile Männer, berechnende Frauen

Fritz Kater: 5 morgen

Theater:Schauspiel Stuttgart, Premiere:26.10.2013 (UA)Regie:Armin Petras

Das Mädchen will hoch hinaus. Studium, Stipendium, Karriere. Der Dozent hält sie hin. „Entscheidungsfindung, Team, Zeitresearching, Monitoring, Langzeitadvertising“, sagt er ausweichend. Dabei ist längst klar: Missy ist durch die Prüfung gerasselt. Jetzt muss Plan B her: Sie baggert den Kerl an. Das wolle er doch auch – „3 Semester Blickfick und 400 Mal angegrinst“. Nichts wie ins Bett.

Man könnte meinen, dass Fritz Kater eine ganz gewöhnliche Uniaffaire skizziert in seinem neuen Stück „5 morgen“. Fritz Kater ist das Pseudonym von Armin Petras, dem neuen Intendanten des Schauspiels Stuttgart, der zu seinem Einstand selbst in der Außenspielstätte Nord „5 morgen“ inszeniert hat. Fünf Personen und fünf ganz unterschiedliche Morgen, an denen eines jeden Leben aus den Fugen gerät. Denn eine giftige Wolke hängt bleischwer über der Stadt und kontaminiert die Menschen, weißes Pulver bröckelt ihnen vom Gesicht, hochgiftig und lebensgefährlich.

Wie eine Bombe schlägt die Katastrophe ein und reißt die Figuren aus ihren alltäglichen Kleinkriegen und Geschlechterkämpfen. Petras entwickelt parallele Handlungsstränge, die doch immer wieder bei Mann und Frau landen und ihren ewigen Machtspielen, bei der Geilheit der Männer und den berechnenden Frauen. Wenn ihr ein Mann sage, dass sie einen „Superbody“ hat, konstatiert Missy (Hanna Plaß) nüchtern, „dann weiß ich, dass er mich sofort oder später bumsen will“.

Petras hantiert frei mit der Textvorlage seines Alter Egos, inszeniert die Szenen nicht wirklichkeitsnah, sondern treibt sie ins Absurde, unterlegt sie mit pantomimischen Passagen, bei denen die Figuren in der Luft übers Handy wischen. Hier werden Momente mit der Kamera begleitet, dort Textpassagen gesungen. Mal imitieren sie Ginger Rogers und Fred Astaire, mal beißen sie beherzt in einen riesigen Luftballon, der Pizza sein soll. Perücken verrutschen, dann wieder stellen die Figuren Rembrandts Gemälde „Die Anatomie des Dr. Tulp“ nach, auf dem eine Leiche seziert wird.

Das ist mitunter absurd, aber auch erhellend, weil die Verfremdung umso präziser die Mechanismen des täglichen Miteinanders offenlegt. Petras spielt auf die „Scheiß Europäer“ an, die den Afrikanern in Not so wenig helfen wie Paul (Andreas Leupold) den erkrankten Frauen, die an seine Tür klopfen. Es geht Petras aber weniger um die Katastrophe an sich, sondern sie offenbart erst, dass die Menschen das falsche Leben leben und unfähig sind, wahre Empathie zu empfinden.

Petras lässt sich viel Zeit, um die Bruchstücke seiner Handlungsstränge grob zusammenzuzimmern. Er erzählt die Handlung auch nicht aus, deutet Motive nur an und konterkariert als Regisseur zudem den Text. Das macht es nicht einfach, die Beziehungsgeflechte zu entschlüsseln und die Szenen in einen Zusammenhang zu bringen. Aber die Schauspieler sind stark und zudem musikalisch versiert, und der Abend besticht durch sympathische Beiläufigkeit und ein Gleichgewicht an Absurditäten und ernsthaftem Impetus. Durchaus ein gelungener Einstand des neuen Intendanten in Stuttgart.