Foto: Ünusan Kuloglu in "Ali Baba und die 40 Räuber" in Wuppertal. © Uwe Stratmann
Text:Andreas Falentin, am 27. März 2012
Das Märchen „Ali Baba und die 40 Räuber“ kennt in der Türkei jedes Kind. Die 1991 uraufgeführte Oper von Selman Ada hat sich dort schnell zur „Einstiegsdroge“ für Kinder entwickelt, ähnlich wie Humperdincks „Hänsel und Gretel“ bei uns. Die Wuppertaler Bühnen stellen das überaus charmante Werk nun in Deutscher Erstaufführung vor.
Den ersten Akt erzählt Operndirektor Johannes Weigand überwiegend gradlinig in den folkloristisch bunten Kostümen von Markus Pysall, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet. Seine schön anzusehenden, auffällig zweidimensionalen Kulissen erinnern ästhetisch an die orientalische Form des Schattenspieles. Da in Deutschland die genaue Kenntnis des Märchens kaum vorausgesetzt werden kann, werden immer wieder Texte projiziert, um Lücken in der Erzählung zu schließen – und vielleicht auch die etwas zu langen Umbaupausen zu füllen.
Nach der Pause verlagert sich die Handlung deutlich spürbar nach Absurdistan, sehr zur Freude von Groß und Klein. Die Räuber verstecken sich ungeschickt in Amphoren und Säcken, der wilde Räuberhauptmann wird zum sanft werbenden Verliebten und Kasim, Ali Babas von den Räubern zerstückelter Bruder, taucht immer wieder unvermutet auf und macht sich über die Lebenden lustig. Hier kommt der schelmische Humor Adas und seines Librettisten Tanik Günersel deutlich zu tragen, die dem Stoff allerlei witzige Wendungen, ein kindgerechtes Ende – die Räuber werden nicht mit siedendem Öl verbrannt, sondern müssen zu ihren Ehefrauen zurück – und ein Liebespaar hinzugefügt haben. Banu Böke und Miljan Milovic dürfen ihr Duett und ihre Arien auf Türkisch singen und sorgen so für musikalische Ruhe- und Höhepunkte im ausgelassenen Treiben irgendwo zwischen großer Oper, Augsburger Puppenkiste und Karl-May-Festspielen. Befördert durch die Übertragung des Textes durch Weigand und seine Dramaturgin Ulrike Olbrich ist hier ein Stück handfestes, musikalisches Volkstheater gelungen, leichte, aber nie seichte Unterhaltung für alle Altersklassen.
Der faszinierend bewegliche, in der Türkei sehr populäre Charaktertenor Ünüsan Kuloglu rückt seinen Ali Baba überzeugend in die Nähe des türkischen Eulenspiegels Nasreddin Hodscha. Chor und Solistenensemble stellen sich den ungewohnten aber dankbaren Aufgaben mit Charme und Verve. Aus der Melange aus archaischer orientalischer Harmonik, neueren Tanzrhythmen und Annäherungen an neoklassizistische Musik eines Prokoffieff oder Milhaud wob Florian Frannek einen bewegten, stets transparenten „fliegenden“ Klangteppich. Die Wuppertaler Symphoniker spielten souverän und süffig. Bereits nach der von Chorvokalisen durchsetzten Ouvertüre wurde begeistert geklatscht. Am Ende reagierte das von wenigen Kindern durchsetzte Premierenpublikum, in Anwesenheit des sichtbar erfreuten Selman Ada, so ausgelassen, als habe es etwas besonders Schönes geschenkt bekommen.